Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 142.jpg

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bald wieder und fragte das Männlein, wer es sei und was es hier zu thun habe. Ich bin, erwiderte es mit froher Hast, ein Geist aus diesem Berge und bin um eines Versehens willen von den andern Berggeistern verdammt, hundert Jahre lang allnächtlich diesen Berg auf- und abzusteigen, bis der Tag meiner Erlösung kommt, und Du, fuhr er fort, bist bestimmt, mich zu erlösen, und das geschieht, wenn Du allein den ungeheuern Schatz, der in diesem Berge verborgen ist, heben wirst. Dies allein zu thun aber weigerte sich Reichard hartnäckig, da erlaubte es das Männlein, daß er seinem Bruder den Vorfall entdecken und ihn zur Hebung des Schatzes mitbringen könnte. Sie versahen sich mit den nöthigen Werkzeugen und bestiegen in nächster Mitternacht den Berg. Das Männlein empfing sie, gebot ihnen aber, wenn Stimmen aus der Tiefe sie fragen würden, was sie mit dem Schatze machen wollten, ja nicht zu antworten, und sich durch Drohungen nicht erschrecken zu lassen. Die Brüder fingen an zu graben und fanden, wornach ihre Seele sich sehnte, den Schatz. Als sie ihn aber heben wollten, erscholl aus der Tiefe eine furchtbare Stimme. Die Schatzgräber schwiegen. Die Stimme drohte sie zu tödten, wenn sie nicht Antwort gäben. Da ward Reichard’s Bruder doch ängstlich und antwortete, daß sie sich damit ein frohes Leben zu verschaffen gedächten, und der Schatz – sank mit donnerndem Gepolter in die Tiefe! Seit dieser Zeit hat der unglückliche Geist noch keine Erlösung gefunden.

V. Einst spielten Kinder armer Eltern an diesem Berge und fanden einen Haufen Kohlen. Da sie die Armuth ihrer Eltern kannten, dachten sie klug genug, von diesen Kohlen soviel mitzunehmen, als sie fortbrächten, in der Meinung, daß sie doch wohl zu Etwas brauchbar sein könnten. Da die Eltern sich darüber als ein gutes Brennmaterial freuten, nahmen die Kinder ein Körbchen und holten den Ueberrest der Kohlen nach Hause. Einige Tage später wollten diese Leute sich der Kohlen zum Brennen bedienen, und fanden einen großen Haufen Goldstücke.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_142.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)