Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 146.jpg

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Geldes bemächtigen könne. Außerdem handelte es von Beschwörungen, und weil zu einem solchen Experiment nichts Anderes gehörte, als in der Stunde der Mitternacht die Zauberformel abzulesen, so beschloß man, vor der Hand mit einem solchen Versuche den Anfang zu machen, um zu erfahren, ob die in dem Buche mitgetheilte Anleitung sich thatsächlich bewähre.

„Heut’ Abend,“ sagte der Lob zu seinen Freunden, „kommt um Eilf zu mir, da wollen wir sehen, ob wir der Hexenscharteke trauen dürfen oder nicht.“

Lieb und Toffl stimmten bei, und auch der Ehr’gott ließ, ungeachtet seines Namens, es sich angelegen sein, noch vor der verabredeten Stunde bei seinem Freunde einzutreffen.

Es war eine unheimliche finstre Nacht, der Sturm schoß in mächtigen Stößen durchs Thal, der Regen klatschte mit Gewalt gegen die Fenster, der alte Birnbaum vor Lob’s Häuschen stöhnte und schnaubte wie Einer, der sich gegen wüthende Angriffe vertheidigt, und er vertheidigte sich ja gegen die Elemente, welche rauschend und heulend in seinen morschen Aesten raseten. Die Burschen im wohlverschlossenen Hause kümmerten sich indeß wenig darum, zum Ueberfluß verriegelte man noch die Fensterladen, dann holte Lob sein Buch herbei, das ganz schwarz aussah und die enge Stube mit Modergeruch erfüllte. Auf dem Tische brannte eine alte Oellampe von Blech, der Docht wurde neu mit Oel getränkt und dann nahmen alle an dem Tische Platz.

Keiner sprach mehr ein Wort, in Erwartung der Dinge, die da kommen sollten. Lob, der die alten Zeichen noch am Geschicktesten zusammenbuchstabirte, war zum Vorleser bestimmt und hatte das geheimnißvolle Manuscript vor sich liegen. Mit dem ersten Schlage der Mitternacht sollte das Werk beginnen.

Die alte Schwarzwälder Uhr hob jetzt auf Zwölf aus und ihr Knarren kam diesmal den Burschen sehr eigenthümlich vor; doch theilte keiner dem andern seine Gedanken mit. Wieder trat tiefe Stille in der Stube ein, draußen rüttelte

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_146.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)