Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 156.jpg

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und unbarmherzige Richter verurtheilten sie schonungslos zum Tode, denn da ihre Eltern gestorben und ihr Gatte weit entfernt war, hatte sie Niemanden, der sich ihrer angenommen hätte. Als die Unglückliche den ungerechten Spruch vernahm, rief sie: „ich bin unschuldig, ein Wunder wird die Wahrheit meiner Worte bestätigen.“ Doch nichts half ihr ihr Betheuern, sie ward auf den Rabenstein geschleift, und in demselben Augenblicke, wo ihr Gatte in die Mauern Budissins einritt, voll Freude, sein Weib und Kind wieder umarmen zu können, zerbrach der Nachrichter ihre Glieder auf dem Richtplatze. Siehe da spaltete sich auf einmal das Gemäuer des Hochgerichts in drei Theile, und als ihr unglücklicher Gatte sie noch einmal in schrecklich verstümmelter Gestalt gesehen hatte, stürzte er sich verzweifelnd in sein Schwert. Ihren Verderber aber ließ es keine Ruhe, er klagte sich selbst an und konnte den Augenblick, wo sein schuldbeladenes Haupt sein doppeltes Verbrechen sühnen sollte, kaum erwarten. Das finstere Gewölbe des Rabensteins umschloß auch seinen Leichnam, doch seine Seele hatte keine Ruhe. Sobald die Dämmerung ihre finstern Schatten ausbreitete, sahe man fortan eine weiße Gestalt über den Rabenstein wandeln, bittend die Hände gen Himmel erheben und dann plötzlich wieder verschwinden.


765) Der Feuersegen zu Budissin.
Hr. Scholze bei Klar a. a. O. S. 101. sq.

Zu Anfang des 17. Jahrhunderts kam eine wandernde Zigeunerfamilie nach Budissin und suchte, da fast Alle eine Krankheit befallen hatte, ein Obdach auf einige Tage. Die Mutter mit ihren zwei kranken Kindern ging von Haus zu Haus, um die Herzen der Einwohner zu bewegen, und der Vater lag auf einer Steinbank am Thore. Allein kaum gelang es den Armen einige geringe Gaben zu erhalten, sie aufzunehmen bezeigte Niemand Lust, und so mußten sie dem kranken Vater leider alle Hoffnung auf Obdach in der feuchten

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_156.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)