Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 157.jpg

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Herbstnacht rauben. Traurig, vor Kälte zitternd, saßen sie nun am Thore, da schritt ein Mann vorüber, der selbst arm und dürftig aussah. Dieser fragte sie, warum sie so klagten, und als sie ihm ihre Noth gestanden, da führte er sie mit den Worten: „nun kommt nur mit mir!“ in seine schlichte Wohnung in der Goschwitz unfern der äußern Ringmauer der Stadt. Er gab ihnen eine Kammer, reichte dem durchfrorenen Vater einen erwärmenden Trank, theilte mit den Unglücklichen sein Abendbrot und bereitete ihnen ein Lager aus frischem Stroh. So übte er mehrere Tage lang sein Werk der Barmherzigkeit an ihnen, bis sie im Stande waren, ihren Weg wieder in ihre Heimath, nach Ungarn, fortzusetzen. Ehe sie Abschied von dem menschenfreundlichen Manne nahmen, sprach der genesene Zigeuner zu ihm: „wir wollen nicht undankbar von dieser Stätte gehen, sondern ein bleibendes Zeichen zurücklassen. Von dieser Stunde an wird dieses Gebäude kein Raub der Flammen werden, und wenn auch die ganze Stadt in Schutt und Asche verwandelt würde, so wird doch kein Feuer dieses Haus anfassen!“ Damit murmelte er den sogenannten Feuersegen und zog von dannen. Zwar glaubte anfangs der Besitzer des Hauses den Worten des Zigeuners nicht, allein bald ward er eines Andern belehrt und erfuhr zu seinem nicht geringen Staunen, daß der Fremdling Wahrheit geredet hatte. Nach wenigen Jahren ward Budissin von Wallenstein erobert und mit kaiserlichen Truppen besetzt, der Friedländer zog bald darauf nach Böhmen und ließ den Obersten von Goltz als Stadtcommandanten zurück. Dieser ließ, als die Sachsen vor die Stadt rückten, die Vorstädte der Stadt in Brand stecken, ein widriger Wind jagte das Feuer in die innere Stadt und bald stand diese in Flammen, nur ein unbedeutendes Haus in der Goschwitz blieb unversehrt und das war das, welches die Zigeuner beherbergt hatte: die Soldaten legten mehrmals Pechkränze an, konnten aber das Dach nicht in Brand bringen. Noch vor wenigen Jahren war es bewohnt, allein 1840 ward es wegen Baufälligkeit niedergerissen, der Platz geebnet und als Garten benutzt.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_157.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)