Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 180.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Bürger mußte sogar einst sieben Jahre lang in dem Berge bleiben und in Geduld harren, bis sich ihm der Berg von selbst wieder aufthat, denn aus übergroßer Begierde, sich von den erblickten Schätzen so viel als nur möglich zu eigen zu machen, hatte er ganz vergessen, daß der Berg nur eine Stunde lang offen sei und dann Jahre lang sich ihm zuschließen würde. Gern ließ er dann alle Schätze und die, welche er sich sogar schon zugeeignet hatte, in Stich und war zufrieden, nur seine Freiheit wieder erlangt zu haben.

III. Es begab sich einst, daß eine arme Frau auf dem Löbauer Berge die Thüre des Goldkellers gewahrte, wie sie offen stand. Die Zeit aber, wo solches geschah, war an einem Charfreitag Morgens früh, als man eben vom Chore die Passion absang. Neugierig und hoffend, einen Schatz und somit ihr Glück darin zu finden, so wie schon mancher Anderer vor ihr, ging sie hinein, obschon sie einen größern Schatz, nämlich ihr einziges Kind, auf den Armen trug. Ueberall glänzten ihr gleich hellen Karfunkeln, die Gold-, Silber- und Schaustücke entgegen, die in großen mächtigen Braupfannen links und rechts aufgehäuft dastanden. Niemand aber und nirgend wo war ein Wächter dieser Schätze zu sehen, ein runder Tisch nur stand unfern vom Eingange, und einige Aepfel, so frisch, wie sie nur in Herbstzeit auf den fruchttragenden Bäumen prangen mögen, lagen darauf. Auf diesen Tisch nun setzte sie das Kindlein nieder, damit es spielen möge mit den herrlichen Früchten, sie aber scharrte und sammelte so viel des blanken Geldes und Goldes in ihre Schürze, als sie nur ertragen konnte und trug es fürbaß aus dem Keller hinaus. Alsbald nun kehrte sie wieder um, daß sie auch ihr Kindlein sich nachholen möge, was sie versäumt hatte über dem unterirdischen Mammon. Aber o Jammer! nimmer und nirgends konnte sie jetzt die Thüre des Kellers wieder gewahren, zu der sie doch nur eben hinausgetreten war, und weder Weinen noch Greinen, noch Klagen und Zagen mochten ihr helfen, denn schier nicht eine einzige Spur konnte sie noch wahrnehmen. Gar gern hätte sie nun all’ ihre blanken

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_180.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)