Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 219.jpg

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Schwert eingehauen, das große Aehnlichkeit mit einem Türkensäbel besitzt. Eine früher dabeigewesene Inschrift ist gänzlich verwischt. Als Ursprung dieser Bildwerke wird folgende Sage erzählt.

Der Senat der Sechsstadt Zittau hatte, da es ihm nicht an Gelde fehlte, einen berühmten italienischen Baumeister kommen lassen, um den Bau der neuen Kirche zu leiten. Der Meister kam und begann den Bau, unterstützt durch fleißige und geschickte Gesellen. Allein diese waren ihrem Herrn nicht sehr gewogen, da er aufbrausend und jähzornig war, und jedes geringe Versehen hart rügte. Namentlich zog einer unter ihnen, ein junger blonder Geselle, den Haß des Italieners auf sich, weil er dem Uebermuth desselben keck die Stirne bot und dadurch auch die Uebrigen zum Widerstand ermuthigte. Als er nun einst in Vermessenheit die Worte ausgesprochen hatte, daß auch hier Meister in der edlen Baukunst angetroffen würden und er sich getraue, ebensoviel zu leisten wie jener, so forderte dieser eine Probe und man kam auf beiden Seiten überein, seine Kunst an zwei noch unvollendeten Strebepfeilern zu zeigen. Wer von Beiden zuerst den seinigen ohne Tadel vollendet haben würde, der solle Sieger sein. Rüstig ging es an die Arbeit, Meister und Gesellen ruheten nie, Schlaf erquickte sie nicht, kaum gönnten sie sich zum Essen Zeit, und wenn der eine durch Ruhe seine Kräfte erfrischen wollte, so trieb ihn die Furcht, daß der Gegner ihm unterdessen zuvorkommen möge, zu neuer Thätigkeit an. Zwei Tage und zwei Nächte waren so vergangen und die Pfeiler ihrer Vollendung bald nahe, als die Kraft des Meisters, die an eine anhaltende und schwere Arbeit nicht mehr gewöhnt war, immer mehr zu erschlaffen begann, obgleich er selbst sah, daß, wenn er nicht alle Kraft der Muskeln zusammennehme und auf das Höchste steigere, der Jüngling eher seinen Pfeiler vollendet haben würde, als er. Fieberhaft zitternd in Folge der großen Erschöpfung und Angst setzte er Stein auf Stein. Doch waren seine Mühen umsonst, in der Mittagsstunde des dritten Tages erscholl vom andern Pfeiler der freudige Ruf:

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_219.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)