Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 261.jpg

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ungewohntes Geräusch in ihrem Zimmer, sie blickte nach der Gegend, von wo es herzukommen schien, und sieht zu ihrem nicht geringen Erstaunen, daß in der Nähe des Ofens unten an der Wand plötzlich eine, nur unbedeutend große Oeffnung sichtbar wird, und daraus ein kleines graues Männchen oder Querxlein hervorkommt, mit vielen Grüßen ihrem Bette sich nahend. Er redet sie mit Höflichkeit an, und erbittet sich die Erlaubniß, daß eine ganze Gesellschaft ein Gastmahl in dieser Stube halten möge, und verspricht für die Erlaubniß im Namen Aller erkenntlich zu sein. Die Wöchnerin ertheilt die erbetene Erlaubniß und das Männchen empfiehlt sich mit vielen Begrüßungen wieder. Bald darauf hört die Wöchnerin durch jene Oeffnung ein neues noch größeres Geräusch, und das kleine graue Männchen erscheint wieder an der Spitze von einer Menge ebenso kleinen Hausgesindes, das wie geschäftige Ameisen, kleine Tische und Stühle und ganze Körbe voll der köstlichsten Eßwaaren und Speisen durch jene Wandöffnung herbeibringt, und nun damit die Tische auf’s Schönste besetzt. Jetzt erschallen Töne aus der Ferne, sie nähern sich allmälig, und es treten nun, ebenfalls durch jene Oeffnung mehrere Tonkünstler mit Saiten- und Blastonwerkzeugen ein, an die sich ein langer bunter Zug von lauter solchen kleinen Wesen anschließt. Die Gesellschaft nimmt Platz an den Tischen und hält ein lebhaftes vergnügtes Mahl unter der angenehmsten Tischmusik. Nach aufgehobener Tafel ertönt eine muntere Tanzmusik, und schon fangen die kleinen Leutchen an sich bunt durch einander zu drehen und zu schwenken, als plötzlich ein neues Querxlein in’s Zimmer gestürzt kommt, die Hände über dem Kopfe zusammenschlägt und voller Betrübniß ausruft: „O große Noth, o große Noth! Die alte Mutter Pump ist todt!“ Wie ein Donnerschlag tönt dies den kleinen Gästen in die Ohren, so schnell als möglich nimmt jeder die Flucht. Alles was von Sachen da war, wird eiligst hinweggeschafft, und zwar Alles zu der Oeffnung wieder hinaus, wo es hereingekommen war. Die ganze Stube war nun wieder leer und einsam, nur jenes kleine Wesen, das

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_261.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)