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man dem Ochsenknecht gesagt: „wenn der Ochse kommt, so laß nur die Peitsche fallen“. Als dies geschieht, aber die Uebrigen keinen Ochsen sehen, so frägt der Begleiter, wo denn der Ochse wäre? „Dort kehrt er wieder um, und geht jetzt gerade über die Brücke weg“, antwortete der Knecht. Sie mußten also unverrichteter Sache nach Hause gehen.


852) Das Grab des bösen Jägers zu Horka.
N. Lausitz. Mag. 1839. S. 358.

Auf dem Kirchhofe zu Horka gegen Norden, dicht an der hohen Mauer erblickt man ein langes, mit Moos, Gras und Blumen bewachsenes Grab, dessen Hügel mit der Zeit eingesunken ist. Kein Leichenstein, kein Todtenkreuz nennt uns den Namen und die Schicksale dessen, der hier eingesenkt wurde, kein Greis des Orts weiß darüber sichere Kunde zu geben, nur im Munde des Volks wird er der grüne Mann, und sein Grab das Grab des bösen Jägers genannt. Aus diesem Namen geht hervor, daß er finsteren und menschenfeindlichen Sinnes gewesen ist, und selbst noch im Grabe weiß er sich furchtbar zu machen. Als vor mehreren Jahren der Todtengräber einem Verstorbenen das letzte Bett bereiten wollte, und die Schaufel in das Grab des bösen Jägers stieß, um hier ein neues Grab zu graben, bekam er von unsichtbarer Hand eine so derbe Ohrfeige, daß er Schaufel und Geräth im Stiche lassend, scheu und entsetzt entfloh. Seitdem hat kein Todtengräber es gewagt, das Grab des bösen Jägers zu berühren und den Schlaf des grünen Mannes zu stören. Nur Einer machte scheu den Versuch, allein das Grab war felsenhart, und er konnte die Schaufel nicht in den Hügel stoßen. So bleibt das Grab verschont, während alle übrigen Gräber nach einer Reihe von Jahren wieder benutzt werden, denn jeder fürchtet die gespenstige Ohrfeige.

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_266.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)