Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 413.jpg

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andern Morgen verblutet todt auf der Treppe des geheimen Ganges, aber die rechte Hand samt der Laterne war verschwunden. Sie ist es, welche die nächtliche spukhafte Erscheinung nun alljährlich hervorbringt, Viele haben sie schon gesehen und Niemand bezweifelt dieselbe.


107) Von den merkwürdigen Ceremonien derer Altenburgischen Bauern, wie sie es nämlich bey Hochzeiten, Heimführung der Braut, Kindtauffen, Gesindemiethen, Beerdigungen, Kleidung und Tracht etc. im J. 1703 zu halten pflegten.

Die Altenburgischen Bauern sind ohne Zweifel noch ziemlich unvermischte Abkömmlinge der alten das Osterland bewohnenden Sorbenwenden, sonderbarer Weise aber werden sie noch heute von ihren stammverwandten Brüdern in der Oberlausitz, den dortigen Wenden, gehaßt, warum, weiß man nicht. Wie diese hängen sie noch heute an ihren alten Gewohnheiten, Sitten und Tracht und es wird deshalb nicht uninteressant sein, dieselben so hier zu schildern, wie sie z. B. der Rector des Altenburger Gymnasiums, Frdr. Frise im J. 1703 (Lpzg. kl. 8°.) in seiner in Fragen und Antworten eingerichteten Abhandlung unter obigem Titel beschrieben hat.

Betrachten wir nun zuerst das Capitel der Verheirathung und den damit in Verbindung stehenden Kirchgang, Hochzeit und Kindtaufe, so war damals folgendes Sitte. Die Braut nebst ihrem Beistand, welches gewöhnlich der Ortsgeistliche war, sitzt im Hochzeitshause und erwartet den Bräutigam. Derselbe erscheint nun mit seinem Freiwerber und Beistande vor der Stubenthüre, klopft an und läßt sich durch den Brautdiener anmelden, der ihm die Vergünstigung zurückbringt. Er tritt hierauf mit obigen zwei Personen in die Stube und läßt sich durch diese bei dem Prediger die Braut zum Kirchgange ausbitten. Der Geistliche hält nun eine Gegenrede und läßt die Braut nebst einer christlichen Vermahnung folgen.[1]


  1. Aehnlich ward sonst in Istrien verfahren, (s. Valvassor, Beschr. d. Herzogth. Krain. P. II. L. VI. c. 9. S. 321. c. 10. S. 330) und auch in Rußland (s. Er. Francisci Geschichtspiegel S. 947).
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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_413.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)