Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 031.jpg

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bitten ließ, er doch seinen Argwohn nicht ablegte und durchaus nicht zu mir kommen wollte. Da ich nun alles gethan hatte, was ich thun konnte, starb ich zwar im wahrem Glauben auf meinem Heiland, kam auch in die ewige Ruhe und Stille, genieße aber die völlige Anschauung Gottes noch nicht. Mein Gemahl hingegen bereuete, wie ich schon gesagt habe, nach meinem Tode seine Unversöhnlichkeit gegen mich und starb endlich auch im wahren Glauben, doch ist er bisher zwischen Zeit und Ewigkeit in Angst, Kälte und Finsterniß gewesen, nunmehr ist aber die von Gott bestimmte Zeit gekommen, daß Du uns auf dieser Welt mit einander aussöhnen und uns dadurch zu unserer vollkommenen Seligkeit befördern sollst.“ „Was soll ich aber hierbei thun?“ antwortete der Herzog, „und wie verhalte ich mich bei der Sache?“ Der Geist sagte: „künftige Nacht halte Dich fertig, da will ich und mein Gemahl zu Dir kommen, denn ob ich gleich am Tage komme, so kann doch dieses mein Gemahl nicht thun, und dann soll ein jedes von uns die vorgefallenen Uneinigkeiten erzählen, hierauf sollst Du das Urtheil sprechen, welcher von uns Beiden Recht habe, unsere beiden Hände zum Zeichen der Versöhnung in einander legen, den Segen des Herrn über uns sprechen und hierauf Gott mit uns loben.“ Nachdem der Herzog dies alles zu thun versprochen hatte, verschwand der Geist.

Der Herzog setzte seine Andacht bis auf den Abend fort, alsdann befahl er seiner Wache ausdrücklich, keinen Menschen in das Zimmer zu lassen und genau Achtung zu geben, ob sie Jemand in dem Zimmer reden hören würden. Hierauf ließ er zwei Wachslichter anbrennen und auf den Tisch setzen, auch das Gesangbuch und die Bibel dabeilegen, und so erwartete er die Ankunft der Geister. Diese stellten sich gleich nach 11 Uhr ein, und zwar kam die Fürstin, wie vorher, in lebhafter Gestalt zuerst in’s Zimmer, sie erzählte dem Herzog nochmals die Ursache ihrer Uneinigkeit. Hierauf trat der Geist des Fürsten in ordentlicher fürstlicher Tracht herein, aber mit sehr blassem und todtenfarbigem Gesichte, und erzählte

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_031.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)