Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 376.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ein Pöbeltumult gegen die Calvinisten; es wurde in Folge desselben eine Anzahl Häuser begüterter, diesem Glauben zugethaner Kaufleute geplündert und zerstört und dem Aufruhre nur mit Mühe ein Ende gemacht. Einer jener unschuldig Verfolgten, Namens Eberhard Pöltz, war vom Rathe ins Gefängniß gesetzt worden und seine Tochter Elisabeth nach Schönefeld geflüchtet, nachdem sie vorher alles, was ihr Eigenthum gewesen war, der Vernichtung hatte anheimfallen sehen. Da kommt die Nachricht in’s Dorf, am 1. Juni sollte in der Stadt eine Hinrichtung stattfinden. Dies war auch der Fall, es wurden 4 jener Tumultuanten geköpft. Das verlassene Mädchen glaubt aber, diese Execution gehe ihren Vater an; sie eilt also, obgleich sie krank und schwach ist, nach der Stadt, um denselben noch einmal zu sehen. Allein als sie bis an die sogenannte Parthenwiese hinter dem Rittergute gelangt ist, versagen ihr die Füße den Dienst und sie gibt dort nach wenig Augenblicken ihren Geist auf, der Stock aber, auf den sie sich gestützt hatte, war in dem lockern Boden stecken geblieben, und siehe, nach wenigen Tagen schlug er aus und grünte, bald breiteten sich seine Zweige immer mehr aus und die davon herrührenden Gebüsche nennen die umliegenden Dorfbewohner Jungfer Lieschens Büsche.


434) Das Todtengerippe auf dem Johanniskirchhofe zu Leipzig.
Mündlich.

In der dritten Abtheilung des Leipziger Johanniskirchhofes erblickt man ein scheußliches Todtengerippe über dem Eingange der Gruft Nr. 14 in Stein gehauen. Das Volk erzählt sich, dies sei die getreue Abbildung, wie der Professor der Medizin Dr. J. Fr. Bauer († 22. Decbr. 1742), der hier begraben liegt, in den letzten Jahren seines Lebens ausgesehen habe: er habe nämlich ein Lebenselixir erfunden zu haben geglaubt und damit an sich eine Probe gemacht, was denn seine völlige Abzehrung zum gräßlichen Skelett zur Folge gehabt. Uebrigens soll dieser Mann sich ein großes Vermögen

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_376.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)