Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 397.jpg

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Seile herabhing; nun mußten diejenigen, welche um die auf der Spitze zweier Stangen aufgehängten Preise kämpfen wollten, zu Roß im Galopp unter jenem Vogel hindurchjagen, und wem es gelang, in demselben Augenblicke denselben nicht blos zu erhaschen, sondern auch herabzuziehen, ohne aus dem Sattel zu kommen, der hatte gesiegt. Nun soll bei der letzten Wiederholung dieses Festes der Gänserich einem jungen Burschen, der ihn fest gepackt, die Handadern durchgebissen und derselbe in Folge davon gestorben sein. Kurz und gut, seitdem hörte das Volksfest selbst nicht allein auf, sondern es wurde auch den Pegauern nicht blos das Halten der Gänse innerhalb der Stadtmauer untersagt, sondern es durfte überhaupt auch keine Gans mehr nach Pegau, wo dieses Thier jetzt vogelfrei war, bis endlich in dem laufenden Jahrhundert sich Niemand mehr hieran kehrte.[1]


459) Das Vesperlied zu Pegau.
Poetisch beh. v. Ziehnert, Bd. I. S. 175. sq.

Im Jahre 1644 berannte der schwedische Feldherr Torstensohn die Stadt Pegau mit aller Macht, um dieselbe dafür zu bestrafen, daß zwei berüchtigte Pegauer Räuber oder Freischaarenführer, Flachsveit und Fiedelhans genannt, die Abgeordneten dieser Stadt, welche die derselben aufgelegte Contributionssumme an den schwedischen General nach Leipzig zu bringen hatten, überfallen, letztere geraubt, die schwedische Bedeckung zerstreut und verwundet und eine in dem Geleite befindliche junge schwedische Gräfin ermordet hatten. Trotzdem, daß sich Pegau wacker vertheidigte, hätte es sich doch nicht halten können, denn es brannte schon an allen Ecken, da zog der damalige Superintendent Lange in Amtstracht mit 12 Knaben in Todtenhemden unter Absingung des bekannten Liedes: „Wenn wir in höchsten Nöthen sein, und wissen nicht wo


  1. Nach einer andern Sage hätte einmal ein Gänserich ein Kind zu Pegau todt gebissen und darauf beziehe sich das Bild.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_397.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)