Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens I 459.jpg

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Aber der alte Günzer schloß seine besinnungslose Tochter in seine Arme und sprach: „um Christi Wunden, hebe dich weg von uns Satanas!“ Da brüllte der Teufel: „Braut, das Haus steht in Flammen, nochmals neun Wochen Frist, und bist Du dann noch nicht mein, so wird Dein Vater elendiglich enden!“ Mit diesen Worten verschwand er zwar, allein auch das ganze Haus stand in Feuer und nur mit der größten Mühe retteten Beide ihr Leben.

Sie flohen nun zuerst zu Verwandten, allein bald bauten ihnen mitleidige Menschen eine andere Hütte am Rande des Waldes, denn ihre frühere war zu einem stinkenden Schwefelpfuhl geworden. Allein auch hier ward es nicht besser; schon kam wieder die neunte Woche heran, da übermannte einst am hellen Mittage Käthchen der Schlaf, und es träumte ihr, der Teufel mit seinem Gefolge schaue zu ihrem Fenster herein und wolle sie in seine höllische Residenz entführen, und als sie unter einem furchtbaren Schrei aus dem Schlafe auffuhr, da that sich auf einmal die Thüre auf und ein Engel, umstrahlt von Rosenlicht, schwebte herein, ein Crucifix hoch in der Hand tragend, winkte ihr und sprach: „folge mir, ich bringe Dir Frieden.“ Er führte sie nun mitten durch den Wald auf einem ihr gänzlich unbekannten Wege, bis sie an einen Felsen kamen, der öffnete sich, als der Engel ihn mit dem Kreuze berührte, und nun schritten sie durch eine Felsenspalte, bis sie an ein hohes Thor kamen, was wie Silber glänzte: vor diesem saßen sieben Greise mit spitzen Mützen und langen Bärten. Als diese aber das Crucifix erblickten, da neigten sie sich tief und das Knäblein und die Jungfrau traten in einen hohen Saal, der mit lauter Edelsteinen verziert war und durch deren Glanz sein Licht empfing; in diesem lag auf kostbarem Lager unter einem prächtigen Baldachin eine wunderschöne Frau, umstrahlt von einem Sternenkranz und zu ihren Füßen lagen 7 Zwerge betend auf den Knieen. Als diese den Engel erblickte, fragte sie ihn, was ihn herführe, dieser aber erzählte ihr die furchtbare Gefahr des unglücklichen Mägdleins und bat sie um Hilfe.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_459.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)