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Sie so vor mir laufen? Sie seufzet, sie sieht ihn schmachtend an, und spielt ihre Person vollkommen wohl. Dieses verstellte Wesen macht den größten Eindruck in ihn. Er kam gestern mit einer tiefsinnigen Mine zu mir, da ich eben in Kargfeld einen Besuch abstattete, und wir hatten folgende Unterredung.

Der Magister. Ach, gnädiges Fräulein! ich muß Ihnen meine ganze Schwäche entdecken – Hannchen dauert mich, – das gute Kind empfindet die Liebe; sie weiß aber nicht was ihr fehlt. Sie will wie Clementine blaß werden, und sich auszehren.

Amalia. Sie sind doch ein grausamer Mensch, daß Sie mit dem guten Kinde so verfahren. Gehn Sie, und entdecken Sie ihr dasjenige, was Sie empfinden, ehe das arme Mädchen stirbt.

Der Magister. Nein, das kann ich noch nicht. Soll der Roman nach Italienischen Gusto ausgeführet werden; so ist in einem halben Jahre, noch an keine ausdrückliche Liebeserklärung zu denken.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N *** in Briefen entworfen. Band 1. Michael Gottlieb Griesbach, Eisenach 1760, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grandison_der_Zweite_1.pdf/200&oldid=- (Version vom 1.8.2018)