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dasselbe auch mit jenen beiden gethan haben. Mithin muß ihre Höhle in der Nähe des Wasserfalls liegen, villeicht hinter demselben. Ich setze meinen Kopf darauf!“ –

„Und ich schüttle den Meinigen!“ sagte Stein noch immer zweifelnd.

„Nun, probieren wir’s! Probieren geht über Studieren!“ warf Gretter leicht hin, und stand auf. „Komm mit mir zum Wasserfall. Wir wollen die Örtlichkeit dort prüfen!“ –

Stein willigte ein, und ging mit.

Der Wasserfall maß in seiner ganzen Höhe 50 Faden. Ein Faden ist so viel, als ein erwachsener Mann mit ausgebreiteten Armen erklaftern kann, also etwa sechs Fuß. Demnach fiel die Wassermasse aus der oberen Felsenschlucht, welche dicht neben dem Hofe Sandhaugar lag, etwa 300 Fuß in die Tiefe, mehr denn Kirchturmshöhe.

Unten schäumten die Strudel auf, und unzugängliche Felsen umstarrten das Wasserbecken. Hier war ein Vordringen unmöglich.

Von oben also kletterten die beiden Männer die Seitenwände des Falls hinab, soweit sie kommen konnten. Das Resultat ihres Forschens war, daß sie durch den Wasserschleier hindurch deutlich die Umrisse einer Öffnung sehen konnten, vermutlich den Zugang zu einer Höhle.

Gretter war entschlossen das näher zu untersuchen.

Aber wie dorthin gelangen?

Von der Seite? – Unmöglich! – Von unten? – Noch weniger! So blieb denn nur übrig der Zugang von oben! –

Gretter holte von dem Hofe Sandhaugar ein Tau von 50 Faden Länge, um damit auf die Sohle des Wasserfalls zu gelangen.

Am oberen Ende des Sturzes rammte er einen Pfahl in den Erdboden ein, und hing an ihm mittelst einer Schleife das eine Ende des Taues auf, das andere Ende beschwerte er mit einem großen Stein, und ließ dieses Ende in den Wassersturz hinab. Auf diese Weise war eine Verbindung zwischen Oben und Unten hergestellt.

„So, nun kann es losgehen!“ sagte Gretter voll Zuversicht.

„Es ist dein gewisser Tod, wenn du da hinabsteigst“, sprach der Priester.

„So schlimm wird es gewiß nicht werden“, sagte Gretter, „aber Mut gehört dazu! Bleibe du hier, und hüte mir das Tauende, daß es vom Pfahl nicht abgleitet. Ich werde unten Arbeit finden, und vermutlich den freien Gebrauch meiner Glieder nötig haben!“ –

Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/210&oldid=- (Version vom 1.8.2018)