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Die Norne[1] des Goldes,
Die Mutter mein,
Reicht es mir heimlich
Aus ihrem Schrein! –
Wie wäre die Welt doch so kalt und trübe
Ohne den Trost der Mutterliebe! –[2]

So sang Gretter.

„Man sieht es deutlich,“ sprach Haflide, „deine Mutter hat am besten für dich gesorgt.“

Die Reise begann. An Bord stiegen Haflide, der Steuermann Baard[3] sammt seinem jungen, anmutigen Weibe, Gretter und 20 Ruderknechte, von denen einige auch ihre Weiber mit hatten.

Das Schiff war ein Wikinger Fahrzeug, von starken Eichenplanken zusammengezimmert, am Bord wie am hohen Vorder- und Hintersteven mit Schnitzwerk reich gezirt. Die Schilde der in den Waffen geübten Ruderknechte hingen längs Bord mit den Buckeln nach außen gekehrt als Zier. Das Schiff wurde getrieben durch Segel, und wenn der Wind ausblieb, durch Riemen. Gesteuert wurde es durch ein breites, geschnitztes Ruder, am Hintersteven rechtsseitig angebracht.

Sie steuerten um das Vorgebirge Reykjanes und nahmen dann den Kurs nach Süden. Bald versank die heimische Insel in ihrem Rücken, und vor ihnen lag das offene Meer. Der Wind frischte auf, man nahm die Riemen ein und hißte die Segel.

Gretter hatte sich auf Deck zur Seite des Rettungsbootes, geschützt gegen den Wind, ein bequemes Lager aus Friesdecken bereitet und streckte sich bequem hinauf. Die Hände unter den Kopf gelegt, starrte er hinauf in die Wolken des Himmels und hinab in die Wolken seines Herzens. Er war wortkarg und sprach mit niemand. Nur, wenn des Steuermanns junges Weib vorüberging, warf er ihr freundliche Blicke und ein heiteres Scherzwort zu, was sie beides gern annahm. Die Mannschaft bemerkte das und wechselte darüber spitze Worte. Es ärgerte sie, daß dieser Gretter, dieser Thunichtgut, Tag für Tag, so faul da lag und nicht mit zugreifen wollte. Und, wenn sie ihm darüber beißende Bemerkungen machten, so rächte er sich durch noch kräftigeres Salz. Er machte Spottlieder auf die Matrosen, denen der Stachel nicht fehlte.

Der Sturm wuchs und die See ging hoch. Das Schiff stampfte. Viel Wasser kam über, und unten im Schiffsraume zeigten sich Leckstellen.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. vgl. Nornen
  2. Die Übersetzungen der poetischen Strophen in dieser Nacherzählung haben bis auf vereinzelte Worte und einem entfernten Sinn kaum etwas mit den isländischen Originalen gemein.
  3. isl. Bárður


Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)