Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 087.jpg

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Donnerstagnacht wieder. Zum drittenmal weint sie bitterlich und sagt: ‘Dies ist das letztemal; errettet mich niemand, so bin ich dem Meerweib verfallen’. Da erlöst sie der König, der gelauscht hat, indem er ihre Kette zerhaut.[1] Die falsche Königin wird in geschmolzenes Blei geworfen. – Andre Fassungen s. unten zu nr. 13. Auch das norwegische Märchen von Jungfrau Gyltrom (Janson 1878 nr. 1) schließt mit dem Erscheinen der ertränkten Königin: ‘Endaa tvo Tordagskvaldar kjem eg atter, men Ve den Stygga, som ligg i Sengi mi med Barnet mitt i Arm.’ – Französisch bei Pineau, Contes du Poitou p. 123 (C¹ D²˙³). Mélusine 1, 419 ‘Les neuf frères métamorphosés en moutons et leur soeur’ (vermischt mit den zwölf Brüdern; vgl. oben S. 73; die Entzauberung der Schafböcke erfolgt in der Kirche bei der Taufe ihres Neffen). – In den italienischen Märchen bei Gonzenbach nr. 48 ‘Von Sabedda und ihrem Brüderchen’ (A C¹ D²˙³ F¹) und 49 ‘Von Maria und ihrem Brüderchen’ (ebenso bis auf den aus ‘Hänsel und Gretel’ bekannten Eingang) wird der Bruder in ein Schaf mit goldenen Hörnern verwandelt, die Schwester aber in eine Zisterne geworfen und von einem großen Fische verschluckt. Da klagt das Schaf am Brunnen:

Schwesterchen, Schwesterchen, Ringelhaar,
Für mich sie wetzen die Messer gar,
Für mich sie setzen die Kessel blank,
Mir abzuschneiden mein Hälschen schlank.

Und aus dem Wasser antwortet eine Stimme:

Ich kann dir nicht helfen, mein Brüderlein.
Der böse Haifisch im Rachen mich hält;
Mein Kindlein kann ich nicht bringen zur Welt.[2]

Zum Schlusse wird die untergeschobene Frau zerschnitten, eingesalzen und als Tunfisch ihrer Mutter gesandt, die sie verspeist.


  1. Dies Zerhauen der Kette der Meerfei auch bei Poestion nr. 35. Schreck nr. 10. Gonzenbach nr. 33. 34.
  2. Sora, soru, aneddi, aneddi,
    Pri mia mmolanu li cuteddi,
    Pri mia mentinu li quaddari,
    Pirchi a mia hannu ammazzari.

    – E iu, fratuzza, chi ti pozzu fari!
    In vucca sugnu a lu pisci-cani;
    Gravida sugnu e nun pozzu figghiari.

    Vgl. die Fassung aus Cuneo in der Riv. delle trad. pop. 1, 676: ‘Sorellina mia, il coltello ammolato, il secchio preparato, mi vogliono ammazzare.’ – ‘Fratellino mio, io sono qui dentro nel pozzo, non ti posso difendere.’

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_087.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)