Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 344.jpg

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vom Schmiede Paška im Himmel und in der Hölle, die zugleich Züge aus dem Spielhansel (nr. 82) verwertet. Paška, der nur einmal im Leben einem armen Gesellen eine alte Schmiedschürze als Almosen gegeben hat, klopft nach seinem Tode mit dem Hammer an das Himmelstor, wird aber vom hl. Matthäus fortgewiesen. Wie er zornig lärmt, öffnet auf Gottes Befehl endlich Petrus die Tür; durch die Spalte erblickt der Schmied sein Almosen, die Schürze, und überlistet den Himmelspförtner, indem er ihm Wein anbietet und einen Schluck in die Augen spritzt; schnell drängt er sich hinein, setzt sich auf das Schurzfell als auf sein Eigentum und beschämt den scheltenden Petrus durch den Hinweis auf seinen einst an Christus begangenen Verrat. Wie er dann nach einer diebischen Wäscherin Gottes Fußschemel schleudert, wird er zwar aus dem Himmel gestoßen, aber wieder eingelassen, als er in der Hölle die Teufel zur Freilassung der armen gepeinigten Seelen zu nötigen weiß. Noch ausführlicher erzählt die um 1570 in Westfalen (?) gereimte ‘Historia von Sancto’, die Bolte in der Zs. f. dt. Philologie 32, 349 aus einer Berliner Hs. abgedruckt hat. Auch hier disputiert der Held mit den Heiligen im Paradiese, denen er wie Hans Pfriem (nr. 178) ihre Sünden vorhält, und beruft sich auf die früher den Armen in Christi Namen gespendeten Kleider und verscherzt sich dann durch den vorwitzigen Schemelwurf nach einer Brot stehlenden Frau den gewährten Aufenthalt; doch wandert er nicht nach Beiteinweil, wo er vorher eingekehrt war, oder nach der Hölle, sondern der barmherzige Gott stellt dem Verzweifelnden drei Wünsche frei; durch diese bannt Sanctus gleich dem Spielhansel (nr. 82) den Tod auf den Pflaumenbaum und erlangt endlich Aufnahme ins Himmelreich.

Daß es aber auch eine Erzählung gab, in der Petrus den gleichen vorwitzigen Eifer zeigte wie der Schneider, geht aus einer Äußerung Luthers in den von Mathesius aufgezeichneten Tischreden hervor (Analecta Lutherana et Melanthoniana hsg. von Loesche 1892 S. 204 nr. 317): ‘Aber ich lehre und meister unsern Herrgott, wie S. Petrus getan hat; wenn das Regiment in mein Hand kommt, so mach ich, daß Schemel und Stühl umfallen’. Noch deutlicher ist Fischarts Anspielung im Flöhhatz 1577 v. 344:

Gleich wie man von Sant Peter saget,
Der, als er Herrgott war ein Tag
Und Garn sah stehlen eine Magd,

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_344.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)