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Alle Bemühungen, zu den Gefangenen zu gelangen, schlugen fehl, selbst einem lutherischen Pastor, der die Gefangenen besuchen wollte, wurde dieser Besuch vom Gefängnisdirektor kategorisch verweigert, wobei dieser Wackere dem Pastor mit sichtlicher Genugtuung mitteilte, daß die „verfluchten“ Deutschen mit gemeinen Verbrechern zusammen eingesperrt seien und gleich diesen behandelt würden. Schritte, die bei der obersten Gefängnisverwaltung unternommen wurden, blieben gleichfalls erfolglos; einer der höchsten Beamten des Ressorts sagte mir unumwunden, daß er eine Zusammenkunft nicht genehmigen könne, weil er einen deutschen Namen trüge und fürchte, denunziert zu werden.

Es gelang mir also weder meinen Freund, noch so manchen anderen guten Bekannten zu sehen; sie wurden, soweit sie in militärpflichtigem Alter standen, nach einigen Wochen in die nördlichen Gouvernements deportiert, und zwar zu Fuß auf dem sog. Etappenwege, zusammen mit gemeinen Verbrechern, aller brutalen Willkür der Begleitsoldaten preisgegeben. Was diese Männer auf dem Wege zu ihren Verbannungsorten, in den Etappenstationen und den entsetzlichen russischen Gefängnissen erlitten, kann sich selbst die düsterste Phantasie nicht ausmalen. Viele von ihnen sind schon unterwegs infolge Entkräftung und Hungers zugrunde gegangen, denn Geld, das sie bei sich hatten, wurde ihnen während des Transports abgenommen und erst am Verbannungsorte, oft nach Monaten, zurückerstattet, wenn es sich um kleinere Beträge handelte, größere Summen sind vergeblich reklamiert worden, sie konnten nicht ermittelt werden.

Mein Freund ist nach anderthalb Jahren in der Stadt Troizk im Gouvernement Orenburg im Elend gestorben. Ein anderer Freund, der in dasselbe Gouvernement verschickt worden war, erhielt, obwohl er militärpflichtig war, nach einem halben Jahre die Genehmigung, nach Deutschland abreisen zu dürfen; ich sah ihn bei seiner Durchreise

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/33&oldid=- (Version vom 1.8.2018)