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der Schutzmann berichtete, wo er das Gebrachte gefunden hatte.

Infolge dieses Vorgangs wurden die vier am nächsten vormittag auch wirklich verhaftet und gezählte fünf Wochen in Untersuchungshaft herumgezogen. Nicht besser erging es einem weiteren Genossen, einem Schuhmacher, demselben, der an unserem Herbstfest 1877 das „rote Gespenst“ mimte, der bei uns den schönen Namen Saussele führte und bei dem wie überhaupt bei allen bekannten Genossen, am nächsten vormittag Haussuchung gehalten wurde.

Saussele, der auswärts verbreitet hatte, lag noch im Bett als unser Kaiser mit zwei Schutzleuten bei ihm vorsprach. Er blieb auch ruhig weiter liegen als der Gestrenge seine Kleider, die an der Wand hingen, durchsuchte.

Als der Wachtmeister aber einige vergessene Flugblätter aus der hinteren Rocktasche zu Tage forderte, sprang er wie elektrisiert auf die Beine und schnaubte den Gewaltigen an: „Was machen Sie da! Ich glaube gleich, Sie wollen mir Flugblätter in die Tasche schieben, um mich verhaften zu können.“ Natürlich gabs nun eine kleine Auseinandersetzung zwischen beiden, die damit endete, daß Saussele trotz allen Protestierens verhaftet wurde. Mir selbst ging es auch nicht besser, wie wir vorausgesehen hatten.

Als ich am Ostermontag um ½5 Uhr zum Fenster hinaussah, waren immer noch zwei Schutzleute vor meiner Wohnung postiert und froren erbärmlich, denn die Nacht und besonders der Morgen waren ziemlich kühl. Doch auch ihre Qual ging bald zu Ende. Kurz vor 5 Uhr

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Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)