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Auch hier mußten wir uns wieder auf die Beteiligung in der Stadt beschränken, teils in Rücksicht auf das Schandgesetz, teils wegen Kandidaten- und Geldmangels.

In der Stadt hatten wir in der Person unseres Gemeinderats einen Kandidaten gefunden, der es auf 1014 Stimmen brachte, ein Erfolg, der uns selbst nicht am wenigsten überraschte, bedeutete er doch eine Zunahme unserer Stimmen seit der letzten Reichstagswahl um mehr denn 700, ein gutes Vorzeichen für die nächste Reichstagswahl, bei der wir wieder unseren Gemeinderat als Kandidaten aufstellten.

Bei dieser Wahl wurde uns zum erstenmal seit Bestehen des Sozialistengesetzes die Abhaltung von Wählerversammlungen gestattet, d. h. sie wurden uns nicht im Voraus verboten, dagegen wurden uns die meisten unter den nichtigsten Vorwänden aufgelöst.

Wie es bei dieser Wahl zuging, davon einige Beispiele. In Löchgau bei Besigheim war auf Sonntag nachmittag Wählerversammlung anberaumt. Unser Kandidat, in Begleitung einiger Parteigenossen, mußte der Kosten wegen den eine kleine Stunde dauernden Weg zu Fuß zurücklegen. Ehe wir auf unserem Weg die letzten Häuser Besigheims erreichten, erschien aus einer Seitengasse die heilige Hermandad in Gestalt von drei Landjägern und setzte sich uneingeladen und ohne ein Wort zu sagen an unsere Spitze, um mit uns nach Löchgau zu marschieren.

Dort angekommen erwartete uns eine weitere Ueberraschung. Bei den ersten Häusern schwenkte noch eine Kolonne, bestehend aus zwei Landjägern

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Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/96&oldid=- (Version vom 1.8.2018)