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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

In den anderen Bundesstaaten ist die Verwaltung der Staatsschuld, wie hier ebenfalls gleich bemerkt sein mag, insofern ähnlich geregelt, als auch hier überall besondere Schuldenverwaltungen eingerichtet sind, deren Tätigkeit vom Finanzchef, aber auch vom Parlament kontrolliert wird.

2. Feste oder fundierte Schulden der Bundesstaaten.

Wenn wir die Zwecke betrachten, für welche die Schulden der Einzelstaaten aufgenommen sind und aufgenommen werden, so scheiden Anleihen für Heer- und Flottenkosten und damit die wichtigsten der sog. unproduktiven Ausgaben hier naturgemäss aus. In den Bundesstaaten sind die Anleihen vor allem für sog. produktive Zwecke aufgenommen worden. Ganz genau lässt sich der auf produktive Ausgaben entfallende Anleihebetrag namentlich in den Ländern nicht feststellen, welche nur eine einheitliche, die konsolidierte Schuld besitzen und Sonderschulden für besondere Verwaltungszweige z. B. Eisenbahnschulden nicht kennen. Dies ist z. B. der Fall in Preussen. In mehreren anderen Bundesstaaten mit Staatsbahnbesitz ist wenigstens die Eisenbahnschuld von der allgemeinen Schuld getrennt. So in Bayern, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin; bei Sachsen, Oldenburg, Sachsen-Meiningen ist die Trennung nicht ganz scharf durchgeführt.

In manchen Einzelstaaten findet sich noch eine weitere Zerlegung der Staatsschuld in besondere Schuldenzweige. So teilt sich die Bayerische Staatsschuld in 4 grosse Fonds: Die Allgemeine Staatsschuld, die Eisenbahnschuld, die Grundrentenablösungsschuld und die Landeskulturrentenschuld. Hessen hat eine eigentliche Staatsschuld, eine Landeskreditkassen-Schuld, eine Staatsrenten-Ablösungsschuld und eine Landeskulturrentenschuld. Auch die kleineren Bundesstaaten sind meist noch nicht zu einer einheitlichen konsolidierten Schuld vorgeschritten.

Die Entwicklung der Schulden aller Bundesstaaten ergiebt die Tabelle auf Seite 157.

3. Schulden der deutschen Schutzgebiete.[1]

Die deutschen Schutzgebiete sind nicht Teile des Reichsgebiets und den Bundesstaaten nicht gleichstehend, sondern sind als Pertinenzien des Reichs anzusehen, die aber in vermögensrechtlicher Hinsicht als besondere Rechtssubjekte behandelt werden und besondere Landesfisci bilden. Die gesetzliche Grundlage ihrer vermögensrechtlicher Stellung bildet das Ges. v. 30. 3. 1892 RGBl. S. 369. Als Landesfisci solche können sie selbständig Vermögen besitzen und Schulden machen. Eine Einrichtung besonderen Papiergeldes und besonderer schwebender Schulden für die Schutzgebiete besteht nicht. Um dringliche Ausgaben decken zu können, sind für die Schutzgebiete besondere Ausgleichsfonds, früher Reservefonds genannt, geschaffen worden, welche gespeist werden aus den etatsmässigen Einnahmen und aus Ersparnissen bei den fortdauernden und einmaligen Einnahmen, sowie aus Rückeinnahmen bei Verkaufserlösen. Die Verfügung über diese Fonds erfolgt durch den Etat, der meist einen Posten „zu unvorhergesehenen Ausgaben“ aufweist. Die Fonds sind in Schuldverschreibungen der Schutzgebiete oder in Schuldverschreibungen bezw. verzinslichen Schatzanweisungen des Reichs oder deutscher Bundesstaaten anzulegen. Bis 1911 sind in die Ausgleichsfonds geflossen für Ostafrika 2 745 738 M., Kamerun 2 110 709 M:, Südwestafrika 3 288 223 M., Togo 430 551 M., Samoa 82 916 M.

Besondere feste oder fundierte Schutzgebietsanleihen giebt es für die Schutzgebiete erst seit dem Gesetz v. 18. Mai 1908 (RGBl. S. 157). Bis dahin waren im Falle der Notwendigkeit der Aufbringung ausserordentlicher Einnahmen für die Schutzgebiete (für fehlende ordentliche Einnahmen werden Reichszuschüsse gewährt) Anleihen vom Reiche als solchem aufgenommen worden, deren Erlös den Schutzgebieten als rückzahlbares Darlehen gegeben wurde. S. Ges. v. 23. Juli 04. RGBl. S. 329, 18. Mai 08 RGBl. S. 206 betr. Darlehen in Togo (7,8 Mill.) und R. G. v. 16. Marz 07 RGBl. S. 73 betr. Darlehen an das südwestafrikanische Schutzgebiet (40,6 Mill. M.).


  1. S. Dr. v. Osterroth, Das Schuldenwesen der deutschen Schutzgebiete, Leipzig 1911.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/174&oldid=- (Version vom 15.9.2021)