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die einzelnen Gesetze. (BO.EVO. Eisenbahnpostgesetz). Damit das Eisenbahnamt seinen Pflichten gerecht werden kann, ist ihm die Befugnis erteilt, innerhalb seiner Zuständigkeit über alle Einrichtungen und Massregeln der Eisenbahnverwaltungen Auskunft zu fordern. In bestimmten Fällen sind die Bundesregierungen verpflichtet, Ausführungsbestimmungen zu den Reichsgesetzen und Verordnungen eisenbahnrechtlichen Inhalts dem Eisenbahnamt mitzuteilen, ebenso auch Tarife, Fahrpläne, wichtige Entscheidungen, statistisches Material. Vornehmlich muss dem Reichseisenbahnamt vor jeder Konzession einer Bahn das gesamte Material vorgelegt und seine Erklärung abgewartet werden.

Neben diese auf verfassungsmässigen Äusserungen der Reichsgewalt beruhenden Massnahmen zur Herstellung eines einheitlichen Eisenbahnnetzes sind ferner die auf freier, privater und staatsrechtlicher Übereinkunft zwischen den Eisenbahnstaaten und Eisenbahnverwaltungen beruhenden Einheitsbestrebungen getreten. Auf privater Grundlage beruht der 1846 gegründete Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen, dessen Verdienste um die Herstellung einer Verkehrs-Einheit nicht nur innerhalb des deutschen Reichs sondern auch zwischen diesem und seinen Nachbarstaaten ausserordentliche sind. Sie beruhen sowohl auf der schon vor der Gründung des Reichs herbeigeführten Einheit im Bau und Betrieb, sowie im Tarifwesen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sind besondere Ausschüsse gebildet, denen die Vorbereitung obliegt; die Beschlussfassung erfolgt durch die Generalkonferenz. Auf einer Regelung durch Staatsvertrag beruht der Übergang der Betriebsmittel (Wagen, Lokomotiven) von einer Bahn zur andern. Schon im Jahre 1855 wurde durch den Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen für das Vereinsgebiet ein Vereins-Wagenübereinkommen (Regulativ) beschlossen. Die Bemühungen, eine allgemeine deutsche Betriebsmittelgemeinschaft zu begründen, sind bisher gescheitert. Jedoch ist es gelungen, seit dem 1. April 1909 alle Staatsbahnbetriebe im Reich in dem deutschen Staatsbahnwagenverband zu einigen (Güterwagengemeinschaft, Erweiterung des Preuss. Staatsbahnwagenverbandes, dem auch die Eisenbahnen Oldenburgs und Mecklenburgs angehören). Die Leitung liegt dem Eisenbahnzentralamt in Berlin ob. Zur Fortentwicklung der Vorschriften für die Bauart, Unterhaltung und Ausmusterung der Güterwagen besteht nach § 13, 5 des Übereinkommens ein Güterwagen- und ein Werkstättenausschuss, in dem alle Verbandsverwaltungen vertreten sind. Die Möglichkeit, auch im internationalen Verkehr einen Übergang der Betriebsmittel der einen Bahn auf andere fremde Strecken herbeizuführen, ist durch das bereits erwähnte Abkommen über die technische Einheit im Eisenbahnwesen gegeben.[1]

II. Finanzpolitik.

§ 3. Vom privatwirtschaftlichen Standpunkte ist die Eisenbahn ein auf Erzielung möglichst hoher Gewinne gerichtetes Gewerbe (nicht im Sinne der Reichsgewerbeordnung! s. § 6 GO.). Die Privatbahnen werden auch, beschränkt allerdings durch die im Staatsinteresse gegebenen Vorschriften, als ein solches Gewerbe betrieben. Ihre Finanzverwaltung richtet sich nach ausschliesslich kaufmännischen Grundsätzen und soweit besondere Vorschriften gegeben sind, nach den Bestimmungen des HGB. (Bilanz-Reservefonds der A. Gesellschaften, Abschreibungen).

Für die staatlichen Bahnen ist in neuerer Zeit mehr und mehr der Grundsatz durchgedrungen, dass die Eisenbahnen den Charakter öffentlicher Strassen und Verkehrsanstalten haben. In Betreff der öffentlichen Strassen war aber allmählich die Auffassung herrschend geworden, dass der Staat sie nicht als Finanzquelle (Regal) zu benutzen, sondern nur das Wegehoheitsrecht, d. h. das Recht der Gesetzgebung und Aufsicht über sie zum Zwecke der Förderung des öffentlichen Verkehrs, auszuüben und daher soweit der Staat selbst Eigentümer der Strassen sei, aus deren Benutzung nur die Ausgaben zu decken, nicht Einkünfte zu ziehen habe.

Jener staatsrechtliche Grundsatz ist aber freilich bisher noch nicht zur vollen Anerkennung und Durchführung gelangt. Das preuss. Eisenbahngesetz vom 3. 11. 1838 (G.S. 1838, S. 505–516) stand zwar auf dieser Basis. Denn im § 8 N. 5 l. c. wird die Eisenbahn als eine öffentliche Strasse


  1. Vgl. hierzu Stegemann. Zur Vereinheitlichung d. deutschen Eisenbahnen. Deutsche Revue. Märzheft 1911.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/281&oldid=- (Version vom 26.9.2021)