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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

In einigen Richtungen dürfte aber eine allmähliche Besserung durch die jetzt seitens der meisten Banken veröffentlichten zweimonatlichen Rohbilanzen zu erwarten sein, und zwar in Verbindung mit der eigenen Kritik der Banken selbst, mit derjenigen der Konkurrenzbanken und der öffentlichen Kritik. Daneben ist aber eine dauernde Vermehrung der Barmittel, insbes. durch ständig höhere Giro-Guthaben bei der Reichsbank, unerlässlich (Näheres vgl. bei Riesser, Finanzielle Kriegsbereitschaft und Kriegführung, 2. Aufl. Gust. Fischer, Jena 1913).

Eine weitere bedenkliche Erscheinung, der nach dem Inkrafttreten des Börsengesetzes (1. Januar 1897) besonders zu Tage getretene, sehr bedauerliche Niedergang der mittleren und kleineren Privatbankgeschäfte, ist ohne Zweifel im wesentlichen durch die Konzentrationsentwicklung im Bankwesen hervorgerufen, die ja aber nur eine Einzelerscheinung des allgemeinen Kampfes des Grossbetriebes gegen den Kleinbetrieb ist; sie ist durch eine fehlerhafte Stempel- und Börsengesetzgebung nur erheblich beschleunigt und verschärft worden.

Es ist wohl möglich, dass in Folge der Novelle zum Börsengesetz, die insbesondere innerhalb bestimmter Grenzen das Termingeschäft wieder freigibt, in welchem geringere Mittel als im Kassageschäft festzulegen sind, eine gewisse Stärkung des Privatbankgeschäfts eintreten kann oder vielleicht, worauf einzelne Anzeichen hindeuten, schon eingetreten ist.

Es ist ferner möglich, dass mit jener Novelle – falls sie nicht zu spät gekommen ist – eine gewisse Stärkung jenes wichtigen finanziellen Machtfaktors, der Börse, wieder eintreten könnte, welche die wichtige Rolle der Preisbildung und Preisregulierung und den Ausgleichungsdienst zwischen Angebot und Nachfrage zu übernehmen hat und deren Aufnahme- und Widerstandskraft eine wesentliche Voraussetzung unseres wirtschaftlichen und finanziellen Gleichgewichts und des Gelingens unserer finanziellen Mobilmachung ist.

Einstweilen muss aber bedauerlicherweise festgestellt werden, dass dieser unentbehrliche Machtfaktor nicht nur durch schwere Fehler der Börsen- und Stempelgesetzgebung, sondern auch durch den naturgemässen Verlauf der Konzentrationsentwicklung schwer geschädigt worden ist. Die Banken bringen eben nur den nicht kompensierbaren Rest der bei ihnen zusammenströmenden Kauf- und Verkaufsaufträge auf dem Gebiete des Wertpapier-, Devisen- und Diskontverkehrs an die Börse; sie entziehen ihr also einen grossen Teil des für eine richtige Preisbildung und Preisnotierung unentbehrlichen Materials und damit die im Interesse der Gesamtwirtschaft unerlässliche Eigenschaft einer Zentralstelle für Angebot und Nachfrage aus dem ganzen Lande.

Wenn ferner nicht zu leugnen ist, dass sich im Verlauf der Konzentrationsentwicklung sowohl die Zahl der abhängigen Angestellten wie das Verhältnis der in Grossbanken tätigen zu den in mittleren und kleinen Banken beschäftigten Angestellten erheblich vergrössert hat, so ist dies ein Vorgang, der sich genau oder ähnlich auch auf ganz anderen Gebieten abgespielt hat. Es ist auch zu beachten, dass, wenn dadurch allerdings die Zahl derer stark herabgedrückt wird, welche Aussicht haben, einmal selbständig zu werden, doch andererseits das Aufrücken tüchtiger Beamten zu besseren und selbständigeren Stellungen innerhalb der Bank infolge der grossen Zahl der Filialen, Agenturen, Kommanditen, Depositenkassen und Tochterbanken wesentlich erleichtert worden ist.

Bedenklicher ist dagegen, dass die Stellung eines Bankbeamten sich innerlich verschlechtert hat, weil, was allerdings auch in anderen Grossbetrieben eingetreten ist, die Vielseitigkeit der Fachausbildung unter der immer mehr notwendigen Spezialisierung der Tätigkeit gelitten hat. Auch lässt sich nicht verkennen, dass einem entlassenen Beamten, der in einem einer grösseren Gruppe angehörigen Bankinstitut gearbeitet hat, der Übergang zu einer anderen Bank, namentlich der gleichen Gruppe, sehr erschwert ist.

Auf der anderen Seite sind die Gehälter der Bankbeamten im Verlauf der Konzentrationsentwicklung allmählich gestiegen, ohne dass ich sicher feststellen kann, ob diese Steigerung auch über den Betrag hinausgegangen ist, welcher der gleichzeitigen Steigerung der Lebenshaltung und Ausgaben entsprach. Gewiss ist nur, dass der Durchschnittsbetrag der Gehälter der Bankbeamten

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/359&oldid=- (Version vom 12.10.2021)