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japanische Auswanderer in die Heimat senden würden. Alle Erwerbsmöglichkeiten bekamen unter dem Zwang der finanziellen Lage eine patriotische Heiligung, der gegenüber andere Rücksichten einstweilen in den Hintergrund treten mussten. Ganz Ostasien sah man als das natürliche Absatzgebiet japanischer Manufakturwaren an und erwartete, dass das Inselreich die industrielle Werkstätte für ganz Asien werden könnte.

Wohl am besten gelungen ist in diesem Programm die wirtschaftliche Entwicklung der Insel Formosa. Sie entwickelte sich immer mehr als das Zuckerland für den japanischen Markt. Durch Begünstigung in der Zollbehandlung, durch Zuführung von Kapital und technische Verbesserungen stieg die Zuckerproduktion der Insel in gewaltigen Sätzen. 1903 hatte sie 58 Millionen Kin betragen; 1908 war sie auf 1091/5 Millionen Kin; jetzt hob sie sich von Jahr zu Jahr um 100 Millionen Kin und darüber. So betrug sie 1910 3402/5 und 1911 bereits 4503/5 Millionen Kin. Die frühere Einfuhr deutschen und österreichischen Zuckers ist vollständig verschwunden; nur aus Niederländisch-Indien bezog Japan 1911 noch etwas braunen und weissen Zucker, dem aber eine wenig geringere Menge aus Japan ausgeführten raffinierten Zuckers gegenübersteht. Durch den Ertrag der Zuckersteuer konnte sich diese Kolonie nicht nur seit 1905 ohne Zuschüsse des Mutterlandes behelfen, sondern aus eigener Kraft Aufwendungen für die Unterstützung der Schiffahrt nach Altjapan, erwünschter Fabrikanlagen und des Aufschlusses von Neuland in den wilden Gebieten machen. Ebenso hob sich die Salzproduktion der Insel Formosa und die Ausfuhr, die sich jetzt über alle Küsten Ostasiens von Hongkong und Manila bis Sachalin und Kamschatka erstreckt. Die Einführung des Selzereimonopols und die staatlichen Prämien für Verbesserung des Produktes haben unzweifelhaft heilsam gewirkt. Das Kampfermonopol, durch das aller gewonnener Kampfer zu festen Preisen der Regierung überlassen werden muss, ist von Formosa auch auf Altjapan übertragen worden und hat seit 1910 gesteigerte Mengen sowohl von Rohkampfer wie von Kampferöl ergeben. Von der Ausfuhr der Insel Formosa gingen 1911 mehr als ⅔ nach Altjapan, und fast ebenso stark war der Anteil Japans im Verhältnis zu allen anderen Ländern bei der Einfuhr.

Ganz bescheidene Vorteile für das Eroberungsland bietet Japanisch-Sachalin oder Karafuto. Es versorgt Japan hauptsächlich mit Heringen. Auch der Krebsfang liess 1911 260 000 Kisten, die je 4 Dutzend enthielten, konserviert nachdem Ausland, vornehmlich Amerika gehen. Sachalin hat auch Kohlen für die Zukunft in seinen Schachten, die nur wegen der Wintersperre durch Eis bis jetzt nicht in Angriff genommen sind, wo japanische Schachte noch reiche Lager bieten. Die Hoffnung auf Erdölquellen, die den Wunsch nach dem Besitz des Südteils der Insel vor allem leiteten, sind bis heute noch nicht in Erfüllung gegangen, wenn auch bei Tokombo und Arakoi bereits Öllager sich fanden. Die gewaltigen Wälder bieten grosse Hoffnungen auf ihre Holzverwertung; auch hofft man für die Nebenprodukte der Wälder, wie Terpentinöl, Kolophonium, Holzgeist, Teer, Pech und andere aus Holz gewonnene Chemikalien eine chemische Industrie zu erhalten.

Die grossen Hoffnungen, die man auf die 1904 wiedergewonnene und am 29. August 1910 dem japanischen Reiche einverleibte „Kolonie“ Korea (japanisch Chosen) auch in wirtschaftlicher Hinsicht gesetzt hatte, sind bis jetzt nur zum geringen Teil verwirklicht worden. Da noch nicht ein Zehntel des tragfähigen Bodens in dem vernachlässigten Lande landwirtschaftlich angebaut war, so hatte man erwartet, dort den Baumwoll- und Zuckerrübenbau in grossem Massstabe betreiben zu können. Die „orientalische Kolonisationsgesellschaft“ (Toyo Takushoku Kaisha) in Tokio, die von der Regierung durch Kapitalszeichnung und Zinsgarantien unterstützt wird, bezweckte die Ansiedelung japanischer Bauern in Korea. Aber dort zeigten sich bei der Kolonisation dieselben Schwierigkeiten wie früher im Hokkaido. Der japanische Bauer versteht sich nur auf den intensiven Reisbau mit Kleinbetrieb und die ihm geläufigen landwirtschaftlichen Industrien; für Grossbetrieb, für ihn neue Kulturen und für Viehzucht ist er nicht viel brauchbarer als der wegen seiner Lässigkeit verrufene Koreaner. Die Erwartung, dass man die angebaute Fläche Ackerlandes in Korea sehr schnell von 1 800 000 auf 3 000 000 ha vermehren könnte, und dass man einen Teil der in Japan versponnenen Rohbaumwolle statt aus Indien aus dem neuen Koloniallande beziehen könnte, ist ihrer Verwirklichung noch sehr fern. Auch als Absatzgebiet für japanische Waren ist die Lage durch die Einverleibung Koreas nicht wesentlich verändert, denn die japanische Regierung hat versprochen, in den nächsten 10 Jahren von der koreanischen Ein- und Ausfuhr die gleichen Zölle zu erheben wie früher und ihre eigenen älteren Staatsgebiete zollpolitisch Korea gegenüber als Ausland

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/395&oldid=- (Version vom 24.12.2021)