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und Plauen zurück, in welch' letzterem Dorfe sie die untere (damals hölzerne) Weißritzbrücke bei Reisewitz zerstörten und das genannte Grundstück besetzten. Die Vorposten blieben jedoch weit vorgeschoben. Zwar hatte man das Kämpfen auf der ganzen Linie eingestellt, allein die Nacht war trotzdem entsetzlich, weil ein ziemlich heftiger Regen eintrat, der nicht nur die im Freien bivouacirenden Truppen völlig durchnäßte, sondern auch den zerstampften Boden so aufweichte, daß den Soldaten Stiefel und Schuhe im Schmutze stecken blieben. Von den Franzosen erzählt Aster, daß sie, „um sich von dem naßkalten Boden zu entfernen, mit dem Lagerstroh die Gebliebenen bedeckten und sich dann auf diese legten, so daß Freund und Feind, Lebende und Todte jetzt ruhig über und neben einander schliefen[1].

In den von den Ortseinwohnern größtentheils verlassenen Gehöften Plauens hausten in jener Nacht die vom Kampfe erschöpften Oesterreicher und suchten nach Nahrungsmitteln. Fanden sie nichts, so wendeten sie sich wohl in benachbarte Gebäude, um auch dort wieder - leer abzuziehen. Ueberall herrschte eben Mangel, auch auf Reisewitz, von welchem Orte Baumann erzählt: „Bei verschlossenen Thüren und Fenstern saßen wir im finstern Zimmer beisammen - kein Licht, kein Brot waren mehr vorhanden. Rüben und Krautstrünke sättigten die hungrigen Kleinen; nicht einen Laut wagten wir von uns zu geben, und nur unwillkürliche Ach! tönten bald hier, bald dort. „Aufgemacht!“ brüllte es jetzt aus hundert Kehlen, und das Blut in den Adern stockte. „Gott sei bei uns!“ mit diesem Ausrufe öffnete ich die Pforte und mehr denn fünfzig Mann stürzten herein. „Schafft Lebensmittel, oder das Kind im Leibe wird nicht verschont.“ Meine Haare sträubten sich empor. Da erblickte ich den Offizier, ich nahm ihn bei der Hand. „Kommen Sie,“ sprach ich, „Alles, was Sie treffen, ist ja so das Ihrige, aber man wird nichts finden.“ Mit Feuerbränden wurden nun Keller, Boden, Küche und Speisegewölbe untersucht; die Bemühungen waren aber umsonst und die Hungrigen verfluchten ihr Schicksal. Eine starke Partie von ihnen eilte fort auf die Felder und brachte in kurzer Zeit Kraut, Rüben und Erdbirnen. Der Herd brannte von neuem; Leben und Thätigkeit kehrte zurück, Salz und Geleuchte wurden, ich weiß nicht wie, herbeigeschafft und die Hungrigen alle gesättigt, die sich sogleich dann wieder entfernten. Eine lahme Gans, letzter Rest des sonst so befiederten Hofes - lächelt ihr Glücklicheren! - war der Kriegswuth, ich mag nicht sagen wo, entgangen; gereinigt, gebraten und geviertelt, opferte sie jetzt die Dankbarkeit dem noch dableibenden und beschützenden Offizier und zweien seiner Unterbefehlshaber, zu denen sich ein Wachtmeister gesellt hatte. Dieser sagte während des Essens: „Diese Art Krieg zu führen hat der Teufel erfunden. Ihr seid zu bedauern, wir aber auch. Schon zwei Tage

  1. Aster, S. 262.