Der „Maler aus Sachsen, namens Becker“, von dem Manteuffel hier berichtet, kann nur der obenerwähnte August Becker sein, da kein anderer Maler Becker während der dreißiger Jahre nachweislich sich in Sachsen aufgehalten hat. Dieser benutzte also schon damals die Landschaft, deren Studium er sich anfangs besonders gewidmet hatte, nur noch als Staffage und pflegte jetzt das Porträt, das er auf eigenartige Weise ausgestaltete. Die in dem Briefe Manteuffels enthaltene, die ausgestellten Bilder Beckers kennzeichnende Bemerkung scheint ihre Wirkung auf Rayski nicht verfehlt zu haben. Denn schon wenige Jahre später (seit 1845) sehen wir ihn ähnliche Darstellungen liefern.
Von Würzburg wandte sich Rayski nach München. Hier finden wir ihn also 1838. Die schöne Isarstadt nahm eben unter ihrem kunstbegeisterten Könige Ludwig I. einen unvergleichlichen Aufschwung. Der Monarch beschäftigte die trefflichsten Künstler seiner Zeit: Architekten wie Klenze und Gärtner, Maler wie Cornelius und Schnorr, Bildhauer wie Schwanthaler und viele andere mußten seine Intentionen zur Ausführung bringen. Als Rayski nach München kam, war die Alte Pinakothek nach zehnjähriger Bauzeit fertiggestellt und hatte die stattlichen Sammlungen berühmter Meisterwerke aufgenommen. Ihrer mannigfaltigen Anregung konnte der Maler sich nicht entziehen. Er fand in München auch alte Bekannte. Der Ballenstedter Carl Baumbach z. B. arbeitete schon mehrere Jahre hier.
Großen Einfluß auf Rayski hat damals offenbar Joseph Stieler, seit 1820 Hofmaler in München, gewonnen. Ebenfalls in Paris (unter Gérard) gebildet, leistete er im Fache des Porträts Ausgezeichnetes. Namentlich seine Frauenbildnisse – darunter die 36 der „Schönheitengalerie“ im Festsaalbau der Königl. Residenz – waren weitberühmt; man war entzückt über die Grazie, die frappante, wenn auch etwas idealisierte Ähnlichkeit und die „feine, zarte Färbung“. Daß Stieler gerade im Jahrzehnt vorher (1823 – 1838) mehrfach für den Dresdner Hof tätig gewesen war, mußte die Beziehungen Rayskis zu ihm vertiefen. Will man sich davon überzeugen, daß der Sachse von dem Bayern gelernt hat, so vergleiche man nur das um 1833 von Stieler gemalte Bildnis des sächsischen Prinzen Friedrich August II. mit späteren Aristokratenbildern Rayskis: man findet da in der Eleganz der Erscheinungen wie in der Haltung der Körper überraschende Erinnerungen.
Ernst Sigismund: Ferdinand von Rayski. i. A. des Dresdner Geschichtsvereins, Dresden 1907, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft20VereinGeschichteDresden1907.djvu/48&oldid=- (Version vom 16.2.2024)