der Bewegung zutage trat, um so mehr gewann bei der Mehrzahl der Kommunalgarde Besonnenheit die Oberhand. Allen denen, die noch für die gute Sache der Reichsverfassung zu kämpfen glaubten, wurden über die eigentliche Bedeutung und Entwicklung des Aufstandes sehr bald die Augen geöffnet, als die provisorische Regierung mit dem äußersten Linkser Tzschirner in Erscheinung trat: schon der Ausdruck „provisorische Regierung“ roch manchem nach Republik – wo aber auch noch Tzschirner an der Spitze stand: war das dann noch ein Kampf für die Reichsverfassung, gegen die er ja noch vor wenigen Tagen öffentlich gesprochen hatte? Und wer immer noch im Ungewissen war, dem schwanden die letzten Zweifel bei dem Rücktritt des Gemäßigten Todt am 5. Mai.
Während dieser Entwicklung der Dinge wurde das im Anfang stark mit Kommunalgarde untermischte Straßenbild des Aufstandes immer freier davon. Die untätigen Zuschauer und Schlachtenbummler verloren sich, und auch unter den wirklichen Aufstandskämpfern wurden die Gardisten immer seltener, bis auch die letzten so ziemlich verschwunden waren. Ein Beobachter erzählt vom 4. Mai nachmittags: „Zuweilen sah man schnellen Schrittes einen Communalgardisten eine Straße entlang wahrscheinlich nach Hause eilen.“ Da war auch alles Stürmen und Generalmarschschlagen vergeblich. „Es war vorherzusehen,“ schreibt Born, „daß es allen Tambours der Welt nicht mehr gelingen werde, die Communalgarde auf die Straße zu rufen.“ Schon seit dem Morgen des 4. Mai erschien die Kommunalgarde alles Sturmläutens ungeachtet nur in sehr geringer Zahl. Eine öffentliche Aufforderung der provisorischen Regierung vom 5. Mai rügte aufs schärfste die „Teilnahmlosigkeit und Pflichtvergessenheit des größten Teils der hiesigen Communalgarde“ unter Androhung von Zwangsmaßregeln für jeden, der nicht binnen einer Stunde auf den Sammelplätzen erscheine. Wirklich wurden daraufhin auch verschiedene Gardisten aus ihren Häusern mit Gewalt auf die Barrikaden geholt. Viele andere wieder lieferten, wie Röckel spottet, „mit einer gewissen Art von Erleichterung ihre so vorwurfsvoll mahnenden Gewehre an Hände aus, die denselben noch andere als bloß nur Paradedienste abzugewinnen verstanden“. Auch das Kommunalgardenbureau war wie ausgestorben: mit den eindringenden aufständischen Massen, die nach Waffen suchten,
Dr. Georg Beutel: Dresdner Bürgersoldaten. Verlag des Vereins für Geschichte Dresdens, Dresden 1926, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft30VereinGeschichteDresden1926.djvu/111&oldid=- (Version vom 1.5.2023)