Heinrich Nudow: Ideen über Glük und Glükseligkeit | |
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erhabner und schöner Gedanken sich befände, würde nicht gefallen, wenn es nicht hin und wieder dunkel wäre. Unvermutete und unverschuldete Leiden sind freilich nicht selten sehr strenge. Denn wann Gewitter das Meer schwellen, wann wirbelnde Wogen sich aufthürmen, und der Mastbaum von Orkanen kracht, dann wird auch wohl der standhafteste Steuermann muthlos. Allein drükt gleich das widrige Glük den Weisen, es erdrükt ihn nicht: er hebt sich wie die gedrukte Palme empor und sein treuster Lebensgefährte – sein Schuzengel stärkt ihn. – Er denkt wie Horaz: Schwingt das Glük seinen Fittig zur Flucht; so gebe ich ihm willig seine Geschenke zurük, und wähle; eingehüllt in meine Tugend – redliches Bedürfnis!
Innere Unschuld, ist also nach meinen Begriffen die erste Grundlage der ganzen Menschenglükseligkeit. – Man denke sich ein Arkadien, wo die Kabalistik der Welt mit ewigem Banne verscheucht ist, wo keine Brut des Eigennuzes, der Lieblosigkeit umherwült; wo kein Mensch, kein Arzt den andern verschwazt, wo kein Fanfaron auf dem Dreifusse das Wort führt, wo der schleichende Neid und die unädle Rache keine Freistadt finden, wo kein Gift der Wollust, kein thierischer Magnetismus,
Heinrich Nudow: Ideen über Glük und Glükseligkeit. Kaiserliche Buchdrukerey, St. Petersburg 1788, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heinrich_Nudow_%E2%80%93_Ideen_%C3%BCber_Gl%C3%BCk_und_Gl%C3%BCkseligkeit.djvu/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)