Sie mußten natürlich hinter die sprechenden Pferde zurücktreten. Die meisten aber waren bemüht, sich mit der Kunst des Sprechens vertraut zu machen, und besuchten die Mittwochs und Samstags bei einer gebildeten Stute stattfindenden Sprachkurse. Dort nahm das bildungsbeflissene Pferd auch seine Klavierstunden.
Der große Tag kam, der Tag des großen Pferde-Dings in Elberfeld.
Alle Rassen vom edelsten Vollblüter an bis zum Pferde gemeinen Schlages waren vertreten.
Dort standen in einer Gruppe mehrere englische Vollblüter, glatt rasiert, nach der letzten Mode der Bond Street gekleidet, mit kurz zugestutzten Mähnen, und mokierten sich in unterstrichen arroganter Weise über andere, nicht so gut gekleidete Pferde. Trakehner mit dicken Upman-Zigarren zwischen den Zähnen, mit eleganten Bügelfalten und lackierten Hufen, Schweif und Mähnen mit Kosmetik steil aufrecht „es ist erreicht“ gekämmt, benahmen sich höchst anmaßend und warteten, daß sie von den anderen Pferden zuerst gegrüßt würden. Sie machten sich laut und unanständig lustig über eine Gruppe biederer Oldenburger Pferde in Landestracht und mit qualmenden Pfeifen. Ein Orlow-Traber mit weißer Weste und einem Kneifer lief geschäftig umher und stellte sich überall vor. Einige abseits stehende Pferde kratzten sich fortgesetzt unruhig mit den Hufen; es waren sogenannte Jucker. Sie standen ziemlich isoliert; man mied sie und rückte ab. Belgische Kaltblüter stellten sich breitbeinig
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/086&oldid=- (Version vom 1.8.2018)