beim Chef die westfälische Reisetour vor. Brauntupf verheimlichte seinen Kollegen gegenüber sein Dantemodell. Er lud Leobschietz auch einige Male zum Essen ein. Leobschietz quoll auf. Er hatte erreicht, was er so sehr ersehnt.
Der Tag der großen Kunstausstellung erschien. „Die Begegnung Dantes mit Beatrice“ von Professor Brauntupf erregte immenses Aufsehen bei den Künstlern und beim Publikum. Die Kritik nannte das Meisterwerk einen Clou. Namentlich erregte der Kopf des Dante ein ungewöhnliches Interesse, die markanten Gesichtszüge des erhabenen Poeten der comedia divina wurden besonders gelobt und den besten Dante-Bildern alter Meister gleichgestellt.
Das Bild wurde vom Staate angekauft, und Professor Brauntupf bekam die goldene Medaille. Seine Kollegen bestürmten ihn, ihnen das Modell zu verraten, das ihm zu diesem Dantekopf gestanden hatte. Er schmunzelte und schwieg.
Der Rübölreisende Leobschietz bekam den Größenwahn.
In allen Blättern schrieb man von dem unbekannten Modell. Man behauptete, es sei ein Italiener von adliger Geburt.
Zufällig traf der Bildhauer Klömpke eines Tages Leobschietz auf der Straße. Das war ja der Mann mit dem Dantekopf, fuhr es ihm durch das Hirn. Den mußte er kennen lernen, der kam ihm wohl gelegen. Er arbeitete gerade an einer Büste des Savonarola, und ihm fehlte das passende Modell.
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/114&oldid=- (Version vom 1.8.2018)