Das Denkmal Noahs
Und es geschah, daß uralte Männer zusammensaßen und tagten. Sie tagten schon viele, viele, viele lange Jahre, und ihre Bärte waren durch den Tisch, sogar bereits durch den Fußboden in den Keller gewachsen.
Urgroßväter hatten bereits in ihrer Jugend in vergilbten Chroniken gelesen von diesen uralten Männern, wie sie von alters her tagten, wie Generationen kamen und gingen, Geschlechter ins Grab sanken und die uralten Männer blieben und tagten.
Und wenn das Volk von den uralten Männern sprach, so wurden die Stimmen leise von Ehrfurcht, und ein heiliges Schauern überlief die Gesichter.
Und niemand wußte, von wannen die uralten Männer kamen und was ihre Verrichtung und Bestimmung war, und darum nannte man sie das Komitee.
Vor dem Gebäude aber, in welchem die uralten Männer tagten, standen viele Reihen knorriger Bäume. Und an jedem Baum hing ein gebleichtes Skelett, und am Fuße fast jeden Baumes kauerten andere Skelette, große und kleine. Hier vier, dort sechs, an einem andern Baum gar zwölf. Je nachdem. Nur an einigen wenigen Bäumen kauerte nichts.
Und in den gekrampften Händen der aufgehangenen Skelette hatte man vergilbte, beschriebene Papierfetzen gefunden, die von klugen Schriftgelehrten als Pfändungsprotokolle wegen unbezahlter Gipsrechnungen erkannt wurden. Weise Deuter der Kranioskopie hatten die
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/128&oldid=- (Version vom 1.8.2018)