packte mich. Mit aufgerissenem Munde, um den Nerv und die Muskeln nicht zu verletzen, rannte ich laut stöhnend durch das Zimmer. Dieses ungewohnte Schauen nach zwei Seiten verwirrte mich. Ich wußte nicht recht, ob ich vorwärts oder rückwärts gehen sollte. Eine furchtbare Angst vor mir selber packte mich. Ich mußte unter Leute. Ohne an das Seltsame der Situation zu denken, rannte ich blindlings wie von Hunden gehetzt nach unten zur Wirtin und streckte ihr stumm den Körperteil entgegen, den man sonst im allgemeinen Damen nicht darzubieten pflegt, und wies verzweifelt auf mein Auge, das flehend von dieser ungewohnten Stelle in die Welt schaute.
Laut kreischend floh die Wirtin und stürzte ins Dorf. Und nicht lange dauerte es, so kamen aus allen Richtungen mit Dreschflegeln, Sensen, Knüppeln die Bullenbacher Bauern herbeigeeilt, um die der Wirtin zugefügte Schmach auf der Stelle zu rächen.
Ich war wieder hinaufgestürzt in mein Zimmer, hatte die Tür fest verriegelt und mit Möbelstücken verbarrikadiert. Zitternd stand ich am Fenster hinter den Gardinen und beobachtete die Zusammenrottung meiner Feinde. Furchtbare Drohungen wurden ausgestoßen. Der Haß eines ganzen Dorfes war entfesselt.
Plötzlich zerschmetterte ein Ziegelstein mein Fenster und flog dicht an meinem Kopf vorbei ins Zimmer. Ich verkroch mich in den äußersten Winkel des Zimmers. Töten würden sie mich, wehrlos erschlagen. Doch halt! Ich hatte doch meine beiden Browning-Pistolen irgendwo in meinem Koffer. Bebend durchwühlte ich den Kofferinhalt.
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/225&oldid=- (Version vom 1.8.2018)