Alljährlich im Frühjahr bekam Frau Meta Bender, wie jede echte gute deutsche Hausfrau, ihren Koller: den Hausputzkoller.
Das war immer eine schlimme, eine äußerst schlimme Zeit für das Haus und die Lieben von Meta Bender. Die sonst wirklich ziemlich umgängliche und gütige Frau war während dieser Zeit nicht wiederzuerkennen, sie war wie umgewandelt, grausam, rücksichtslos und brutal.
Ich halte diesen Hausputzkoller für eine ganz bestimmte psychologische Erscheinung, und zwar für eine entgleiste Frühlingsregung, die sich nur noch an der Politur von Mahagonimöbeln, an frisch gestärkten Gardinen, in Atmosphären von schwarzer Seife und Bohnerwachs zur höchsten Ekstase begeistern kann. Ja, ja, so was muß es schon sein.
Es ist ein Zustand, der vor den Nervenarzt gehört, wirklich, denn die fast unheimliche Willenskraft der Aktivität, die die von dem Koller betroffenen Hausfrauen entwickeln, trägt absolut ein pathologisches Gepräge.
Vater Rizinus Bender hatte ohnehin zu Hause verflucht wenig zu sagen. Höchstens schlug er mal, wenn
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Leipzig: Ernst Rowohlt Verlag, 1911, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/043&oldid=- (Version vom 18.8.2016)