so bekam Adalbert vom Vater den bestimmten Auftrag, sich der Tante für diesen Abend anzunehmen und sie ihrem Wunsche gemäß in das Theater zu führen.
Adalbert schäumte vor Wut, ersann tausend Ausflüchte, schützte die wichtigsten Verabredungen vor, um dieser entsetzlichen Sache zu entgehen. Der Vater war unerbittlich. Es half ihm nichts, er mußte mit der Tante ins Theater.
Dazu war noch heute der Abonnementsabend und die letzte Vorstellung der Saison, wo alles im Theater war, was eben was war. Die Folgen waren nicht auszudenken – er würde sich absolut unmöglich machen.
Adalbert wurde sofort fortgeschickt, zwei Billetts im Vorverkauf zu besorgen. Er tat es, nahm aber mit Vorbedacht für die Tante einen Platz im Parkett, für sich einen auf dem zweiten Rang. Er sagte, es wäre nichts anderes mehr zu haben gewesen.
Aber was hat ihm alle Vorsicht geholfen?
Er machte, als er mit der Tante das Theater betrat, einen schüchternen Versuch, sich meuchlings zu drücken und die Tante ihrem Schicksal und gütigen Logenschließern zu überlassen. Die Tante war aber nicht so einfach zu schlabbern; wohlbewußt, daß sie sich auf unsicherem Boden befand, klammerte sie sich fest an ihren Führer.
Er hätte die Frau kalten Herzens erwürgen können.
An der Garderobe verlangte sie seine Unterstützung bei dem Ablegen ihres höchst lächerlichen und vorsintflutlichen Spitzenmantelets mit Jetbesatz. Dann mußte er ihr die Bänder der Trikottaille, die
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Leipzig: Ernst Rowohlt Verlag, 1911, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/055&oldid=- (Version vom 1.8.2018)