vielen Nullen, die im Auto vor seinem Geschäft vorknatterten und deren Persianapelze seinen Garderobeständer demütig erzittern ließen. –
Ich hatte eine ganz unbegrenzte Devotion, eine fast religiöse Hochachtung vor diesem Manne, dem ich, kein Träger eines besonders exklusiven Namens und ohne viele Nullen, nicht das geringste Interesse einflößte. Ich mußte zufrieden sein, überhaupt in seinem Salon verkehren zu dürfen.
Die geistreichen, schöngeistigen Philosopheme eines Freundes, der für Wilde und Brummel schwärmte, glatt rasiert war, den Zeigefinger mit einem großen Topasring aus dem Cinquecento geschmückt hatte und in einer fast krankhaften Weise überall den Dandy witterte, hatten noch das ihrige getan, meinen Respekt vor dem vornehmen Friseur in das Unangemessene wachsen zu lassen.
„Schau dir nur diesen Mann an,“ hatte mein Freund gesagt, „diese ruhige Eleganz, diese fast raffinierte Einfachheit seiner Erscheinung, kein Detail unterstrichen, alles auf die Gesamtwirkung berechnet, auf eine Harmonie von Nuancen und Linien. Sein distinguiertes, abgemessenes Benehmen. Seine vornehme Ruhe.“
Weil mein Freund viel klüger war wie ich, dieses auch durch einen akademischen Grad bewiesen hatte, so gab ich ihm rückhaltlos recht.
„Ich bin sicher, dieser Mann hat sich das außergewöhnliche Milieu dieses Friseurladens als bewußte, ganz raffinierte mise en scéne seiner Person ausgewählt.“
Schon der Alte hatte den Laden gehabt, dachte ich mir, sagte es aber nicht.
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/098&oldid=- (Version vom 1.8.2018)