Koffers eingreifen. Hatte ich den Stift an der einen Seite drin, war er an der anderen Seite wieder heraus und umgekehrt. Ein äußerst neckisches Spiel, welches mich in kurzer Zeit einem Gehirnschlag nahebrachte. Hatte man dann beide Stifte in den Ösen, war ein Nachthemd oder der Koffergurt oder eine Socke zwischen den Deckel geraten. Was nutzte es auch, wenn ich mich allein auf den Deckel setzte, ich wippte und mühte mich ab, erfolglos. Ich sehnte mich nach meinem dicken Portier aus Mailand. Verschiedenen Leuten tat ich leid. Es kamen gute Seelen und setzten sich mit auf den Deckel. Das Schloß schnappte nicht ein. Als ich mit der Kraft, die einem eine monumentale Wut verleiht, der Sache zu Leibe gehen wollte, kam ich mit der rechten Hand zwischen den Deckel und ratsch, flogen vier Finger klatschend auf den Steinboden. Wie rasend arbeitete ich an dem Koffer, ein toller Taumel hatte mich gepackt. Ein altes Mütterchen, welches interessiert meinem Beginnen zugeschaut hatte und zu nahe herangetreten war, geriet zwischen den Kofferdeckel. Die Unvorsichtige mußte ihre Neugierde mit einem abgequetschten Bein büßen. Laut kreischend hüpfte die Frau zum Stationsvorsteher, um sich zu beschweren.
Ich hielt eine Ohnmacht für den geschicktesten Ausweg aus dieser aufregenden Affäre und versank schleunigst in eine solche. Als ich nach geraumer Zeit wieder erwachte, war zu meiner größten Verwunderung der Koffer geschlossen. Auf dem Deckel lagen geordnet meine vier Finger und das Bein der Frau. Ich schenkte dieses einem Menschen, der einen ähnlichen Anzug trug, wie ich in meinem Koffer hatte, und verlegen fortschaute, als ich ihn musterte. Der
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/179&oldid=- (Version vom 1.8.2018)