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Freunde Wolfram Mertens, der schon seit Jahren jeden Sommer in dem alten Rheinstädtchen verbringt.

Wolfram Mertens war einer der bevorzugten Stammgäste im Jägerhaus. Davon hatte dieser Egoist mir nie ein Wort gesagt. Das Jägerhaus war die einzige Schenke, in welcher ich noch nicht gewesen war. Ich hatte Wolfram verschiedentlich vorgeschlagen, zusammen dort einzukehren. Immer hatte er eine andere Ausrede: Die Wirtin wäre so unfreundlich, der Wein wäre nicht besonders, das Lokal wäre schlecht ventiliert, es wäre überhaupt kein angenehmer Aufenthalt. Ich hatte unter diesen Umständen auf das Jägerhaus verzichtet.

Wenn Wolfram Mertens sagte, er ginge sich rasieren lassen, blieb er immer auffallend lange weg.

Das hatte mich auf die Dauer stutzig gemacht.

Eines Tages war ich ihm unbemerkt gefolgt und hatte ihn zu meinem größten Erstaunen verstohlen im Jägerhaus verschwinden sehen.

Dieser Gauner! Ich war ihm nachgegangen und hatte ihn in der riesig gemütlichen Kneipe hinter einer Flasche funkelnden Weines (der geschickte Feuilletonist macht Schule) angetroffen.

Seine haßerfüllten, wütenden Blicke, daß ich hinter sein Geheimnis gekommen, hielten mich nicht ab, mich zu ihm zu setzen, mir vom Schenktisch ein Glas zu nehmen und mir aus seiner Flasche trotz seines erregten Protestes einzuschenken.

Das war ja ein wunderbarer Wein, ein wahrer Göttertrank! Nie war etwas Ähnliches über meine Lippen gekommen.

Ich drehte den Spieß um und machte ihm die heftigsten Vorwürfe über seine im höchsten Grade

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/184&oldid=- (Version vom 1.8.2018)