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 Ich habe vor dieser Bibelstunde wieder, ach, wie oft schon, das letzte Gespräch Augustinus mit seiner Mutter Monika, wie es im zehnten Kapitel des neunten Buches seiner Bekenntnisse steht, gelesen. Dort, an der Meeresküste geht die Mutter mit ihrem Sohne lustwandelnd und es kommt durch die Seele, daß dieser der letzte Tag ihres Lebens sei. Sie sagt: „ach, mein Sohn, ich sterbe gerne; denn der Wunsch, um den ich immer bat, ist mir erfüllt worden: ich habe meinen Sohn bei Jesus.“ – Und höher stiegen wir, so schreibt er, dahin, wo das Wort seinen Ursprung nimmt und der Gedanke anhebt; höher stiegen wir und ließen die Erde hinter uns. „Was wird es sein, wenn ich dich seh’ und dort vor deinem Throne steh!“

 Ja, was wird es sein, in ewiger Gerechtigkeit ihm dienen.

 Und in ewiger Unschuld. Jetzt bin ich immer wieder schuldig; das Meine mengt sich in das Seine; die Ichliebe zerstört die Jesusliebe, die Eitelkeit gefährdet die Demut. Es ist, wie wenn der Spiegel unseres Innenlebens immer wieder von einem öden Hauch angerührt und überlaufen würde. Was wird es dann sein, wenn wir gar nicht mehr wissen, was es um Sünde ist! Wenn die Sünde wie ein Traum hinter uns liegt, wenn wir, ich rede töricht, uns noch so sehr mühen müßten und wüßten doch nicht, was Sünde ist und wie man sündigt! Was wird es einmal sein, wenn wir uns besinnen, wie es sein möge, wider Christus und ohne Christum zu leben, und wir können es nicht mehr; das heißt: in ewiger Unschuld dienen.

 Und nun ist mir jeder Erlöste lieb; nicht gleichgültig wie jetzt, wo ich denke oder sage: „der oder die steht viel zu tief unter mir, um mich zu beleidigen!“ Oder: „dieser Mensch kann mich gar nicht beleidigen, denn ich sehe ihn nicht und kenne ihn nicht.“ Nein, dann ist mir auch der Gleichgültige bedeutsam, der Fernstehende nah, und, der meinem Herzen vordem so schwer war, ist mir nun besonders teuer. Was wird das sein!