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Seinem großen Tage die Akten der Kirche aufgeschlagen werden, welch grauenhaftes Durcheinander von Sünde und Tugend, von Gnade und Gemeinheit, von Reinheit und von Schande! Und doch – eine heilige Kirche. Siehe, so gewiß du dich an jedem Morgen von neuem reinigst, heiligst, stärkst, damit deinem äußeren Leben nichts Nächtiges anhaftet, obwohl du weißt, daß der Tag mit seinem Staub und Sand und allerlei Mühe manche Flecken und vielerlei Ungutes dir zuführt, so gewiß schützt nicht die heilige Taufe vor allem Unrecht und aller Unreinheit. Wohl dem Menschen, der jeden Abend spricht: „doch allen Seelenschaden deckt Jesus nun in Gnaden mit Seinem Purpurmantel zu.“ Wohl dem, der allabendlich betet: „das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde (1. Joh. 1, 7)“. Wir sind heilig dem Wesen nach und sind es noch nicht der Wirklichkeit nach; wir sind rein der göttlichen Idee nach und sind es noch nicht nach unserer Art. Es ist doch etwas ganz anderes, es ist ein großer Unterschied, ob die Sünde dein Leben beherrscht oder ob sie in deinem Leben ist. Wenn sie dein Leben beherrscht, dann gehörst du nicht zur heiligen Kirche; wenn sie aber in deinem Leben noch ist, dann gehörst du zur heiligen Kirche.

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 Je älter der Mensch wird, desto schwerer trägt er an dem Widerspruch zwischen dem, was er sein möchte, und dem, was er ist. Ach, ich möchte ja vollkommen sein: wahr, echt, freundlich, treu keusch, ich möchte meinem Herrn Jesus Ehre machen. Und daß ich es noch nicht so kann, darunter leide ich. Aber wenn du nur darunter leidest, dann bist du auf gutem Wege. Unheilig ist nur der, der mit sich zufrieden ist, und wenn so ein Mensch alle Kirchenbänke abscheuert und jedem Gottesdienst anwohnt und ein fleißiger Gänger zum heiligen Nachtmahl wäre. So oft und soweit er mit sich zufrieden ist, gehört er nicht mehr zur heiligen Kirche. Daran kannst du es sehen, wenn ein Mensch schwer an