Seite:Hermann von Bezzel - Der Beruf der evangelisch-lutherischen Kirche zum Amt der Diakonie.pdf/55

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Luther stand eben all den Fragen leidlos gegenüber, denn er hatte das Wort seines Herrn im Sinn: „Setzet entweder einen guten Baum, so wird die Frucht gut sein, oder setzet etc. (Matth. 12, V. 33) und hat nun mit Treue gepflanzt.“ In der Schloßkirche zu Wittenberg befindet sich das Bild des jüngeren Lukas Cranach: die Arbeiter im Weinberg des Herrn. Luther pflanzt und bindet die Reben an und recht (ein „grober Waldrecher“); Melanchthon schöpft Wasser und begießt die Reben. Das ist der Typus für die Kirche des 16. Jahrhunderts. Man hatte genug damit zu tun, um die Reben zu pflanzen, man mußte das Unkraut ausjäten. Wenn Eis und Schnee der Frühlingssonne gewichen sind, wenn die Sonne ein wohlbereitetes Erdreich zuvor geschaffen hat, dann keimen von selbst Blumen hervor zum Preise Dessen, der solchen Segen der Erde vermittelt hat. Dieser großartige Zug des Wartens und Ueberlassens (cf. Vorrede zum Römerbrief), würde bei jedem andern Menschen Leichtsinn geheißen werden müssen; ja ein Zug, der zum Tode führt. Anders bei Luther, bei welchem das Leben durch solche Stürme gegangen. Wer solche Schrecken eines geängsteten Gewissens durchkostet hat, bei dem ist es zu erklären, daß er sich des Friedens mit Gott freute, und so gewiß alle unsere Werke Reproduktionen unseres Inneren sein müssen, so gewiß hat Luther recht daran getan, zuerst die Innerlichkeit zu festigen. Welche Torheit wäre es gewesen, wenn man den kaum heranwachsenden Baume Werke zugemutet hätte, umgestaltende weltbewegende Werke! Er hätte es nicht vertragen mögen. So wartete man und ließ sich das Gute gefallen, wo es war. Und wie Luther alle Bücher der hl. Schrift in großartiger, für uns Epigonen manchmal befremdlicher Weise, darauf hin angesehen hat, ob sie Christum predigen, so hat er alle Werke daraufhin angesehen, ob sie Christum meinen. Wie steht er so gütig den Klostergelübden gegenüber, falls sie aus einem evangelischen Grunde erwachsen sind. „So zeigt sich die rechte, evangelische Freiheit darin, daß man auch Gelübden