Seite:Hermann von Bezzel - Der Beruf der evangelisch-lutherischen Kirche zum Amt der Diakonie.pdf/57

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aufgeprägt. Alle Bewegungen im Reiche Gottes in neuerer Zeit haben sich denn auch vollzogen, ehe unsere Kirche aktiven Anteil an ihnen genommen. Es ist wohlfeil, dies zu bedauern, und das traurige Vorrecht undankbarer Nachkommen zu tadeln. Dies Zuwarten an Punkten, wo andere, und an Zeiten, in denen andere in eiliger Hast vorgingen, hat unsere Kirche allerdings äußerlich nicht gefördert, aber nur äußerlich, denn die Kräfte, welche andere auf die äußerliche Expansion wandten, sind bei unserer Kirche in die Tiefe gegangen.

 Nicht Weite, sondern Tiefe! Nicht Aufbau, sondern Tiefbau! Nach populären Erfolgen will und darf eben unsere Kirche nicht haschen: brillante Feuerwerke brennen rasch ab und Meteore vergehen gar schnell. Und mit der Popularität hat es Luther nie gehalten. – Der Herr Omnes (Allgemeinheit) mißachtet das Tiefe und schaut auf das Aeußerliche. Die Tiefe aber, wie gezeigt, ließ immer wieder Wasser auch in der dürren Zeit hervorquellen und als Rom arm und versiegt dastand, durfte es in frischen Zügen aus Luthers Quellborn trinken.

 Das große Wort des Galaterbriefes „von der Fülle der Zeit (Gal. 4, V. 4) gilt allen Bewegungen vor dem Herrn und zu dem Herrn. Sollen wir Ihm voraneilen, Ihn meistern, oder seinem Werk irgendwie durch eilfertige Hast Eintrag tun? Sehen wir nun näher zu, wie spät, nach außen besehen – die lutherische Kirche zu den Hauptbewegungen der Zeit kam. Zunächst auf dem Gebiet der äußeren Mission. Luther hat ja so gut wie ein anderer das große Gebot des Herrn gekannt: „Gehet hin in alle Welt etc.“; aber ihm war die Welt so eng noch beschränkt. Gerade bei den Anlässen, wo man ein volles Zeugnis von ihm erwarten sollte und möchte, schweigt der Reformator über die Missionspflicht. Wohl weiß er an Epiphanien und Himmelfahrtstage Treffliches vom Missionsbefehle des Herrn Christus zu sagen, wie das Wort der hl. Apostel an alle Welt ergangen sei, ob dieselben gleich nicht zu uns und zu den Inseln gekommen seien. Oft führt die Predigt zu dem