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sie Freunde zu nennen (Joh. 15, 14), nicht weil sie es waren (v. 14), sondern weil sie es sein sollten. Er gab ihnen nicht mit der Aufgabe die Gabe, sondern fügte zu dieser jene hinzu. „Werdet meine Jünger!“ (v. 8). Jeden einzelnen hat er, wie es in dem Werbegespräch Luk. 9, 27–62 vorgebildet ist, individuell behandelt, hat das sanguinische Temperament des Petrus gebraucht und beschämt (Matth. 14, 28–31; Luk. 22, 31–34), das melancholische des Thomas liebevoll angesehen (Joh. 14, 5; Joh. 20, 26 f.), die phlegmatische Art des Philippus (Joh. 14, 8, 9 und Joh. 1, 43) so geehrt, daß er (vgl. Luk. 9, 59) ihn allein direkt mit dem Rufe: ἀκολούθει μοι beglückt. Und dem gewaltigsten Apostel, den er im Sturm gewonnen hat wie der Wind die unreife Frucht vom Baume reißt, die dann in langsamer Ablagerung reifer und dienlich werden soll (ἔκτρωμα I. Kor. 15, 8) hat er gezeigt, wie viel er um seines Namens willen leiden muß (Apg. 9, 16). Der an seiner Seite saß, ward darum nicht verwöhnt (Luk. 9, 55, Mark. 10, 40), sondern mußte den tiefen Ernst der Seelsorge erfahren, die den nicht läßt, der sich ihr übergibt.

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 Die Apostel aber erfuhren ihres Teils, wie nahe Jesus denen kommt, denen er ferne tritt und wie ferne er ihnen bleibt, so lange er nahe ist. Über Jesu kurzem Scheiden in Tod und Grab war ihr Herz voll Trauerns geworden (Joh. 16, 6), als er aber von ihnen genommen ward (Luk. 24, 52), kehrte die Freude ein, welche den Tag der Arbeit preist und das ewige Leben auf Erden erfährt (Joh. 17, 3), um es im Vollendungstage ganz zu haben. Als ἂνθρωποι ἀγράμματοι (Apg. 4, 13),