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Was er im Leiden einst tat in Folge unserer Abkehrung und Untreue, das wird er in Herrlichkeit einst tun aus Folge unserer Zuwendung zu ihm. Er will mit seiner Gemeinde sich dem Vater unterordnen, eine heilige Subordiniertheit nicht des Wesens, sondern des Willens, damit Gott sei alles in allem. Er wird dann, da er für nichts mehr zu beten und nichts mehr zu vertreten hat, sich an die Spitze der Lobsagenden stellen. Noch ist er der heilige Verklärer alles nach Vollendung Ringenden; wenn aber alles vollendet sein wird, wird er der erste sein, der in den Preis der ewigen Vollendungsgröße einstimmt und ihn anhebt, er wird es sein, der Himmel und Erde und all ihr Heer, auch dich und mich, zur Herrlichkeit des Lobes ermuntert und ermutigt, er wird dann zeigen, daß Loben Leben ist. So glauben wir, daß der gen Himmel gefahrene Herr und König unser gedenkt. In dem wunderbaren Himmelfahrtslied – ich kenne kein schöneres – Joh. Zwicks, des Reformators von Konstanz, heißt es:

Die seh’n hinauf, und er herab,
An Lieb und Treu geht ihn’n nichts ab,
Bis sie zusammenkommen.

 Die Gewißheit, daß in unseren Kampf der Herr betend und stärkend herabblickt, läßt uns mit Freudigkeit und mit dem Mut, ihm alles zu sagen, immer wieder zu ihm kommen, und die Sehnsucht berechtigt zum Gebet: ἔρχου ταχύ, ἔρχου ταχέως, komme bald, komme schnell. Nicht in die letzte Stunde, aber in eine der letzten Stunden, in eine große Vorhalle von Weltscheidung und Weltentscheidung sind wir eingetreten, es kristallisiert sich auf der einen Seite alle Kraft der Leugnung und des Widerspruchs, auf der anderen Seite heben alle Wahrheits- und Glaubenskräfte an sich zu verfestigen. Es ist eine große Zeit, weil nicht mehr um die und jene, sondern um die eine große Frage es geht: Wer ist der, der also durch Jahrhunderte zur Gemeinde sprach? Lassen Sie uns an dem Bekenntnis festhalten, für das unsere Väter landesflüchtig, ehrlos, wehrlos, heimatlos geworden sind, an dem Bekenntnis, für das sie Spott zur Ehre nahmen. Es ist nicht an dem, daß Kompromisse erobern – Kompromisse bringen Verluste –, aber die männliche Selbständigkeit und Überzeugtheit der Jünger Christi soll den Sieg erlangen; es ist nicht an dem, daß wir dem wechselnden Zeitgeist und den Zeitmeinungen unseren Tribut zahlen müßten, um so dem Herrn Christus Eingang in Herz und Meinung zu verschaffen, sondern es ist an dem, was er in einer wichtigen Stunde gesagt hat: Weil ihr bei mir beharrt habt in der Stunde der Anfechtungen, will ich euch auch bei mir behalten. Was ein jeder unter uns für Christus tun kann, ist sehr wenig, sehr unscheinbar und unbedeutend.

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Hermann von Bezzel: Der erhöhte Herr. Furche, Berlin 1914, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Der_erh%C3%B6hte_Herr.pdf/21&oldid=- (Version vom 5.7.2016)