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„Wendet allen Eifer daran, denn die Nacht wird kommen, da niemand wirken kann!“[1] Ob wir noch am Anfang stehen – die besten Kräfte, die edelsten Triebe, die seligsten Stunden seien dem Herrn geweiht! Ob bereits der Mittag des Lebens angebrochen ist und die Sonne heiß und beschwerlich auf uns brennt – wir wollen auch in schwerer Zeit nicht lässig bei unsrer Ausgabe sein, wenn sommerliche Hitze uns bedrückt. Auf, denn die Nacht wird kommen, da man nicht mehr kann! Und wessen Leben unter uns zum Abend sich neigt, – der möge auch die letzten Kräfte dem zu Füßen legen, bei dem Finsternis nicht finster und die Nacht wie der Tag ist. So rufen wir einander zu: „Lasset uns Fleiß tun, einzudringen zu seiner Ruhe und nichts versäumen, daß unser keiner dahinten bleibe!“ (Hebr. 4, 11) Es hat jedes Alter seine Gaben und Gefahren. Die Gaben des herannahenden Alters sind eine gewisse Beschaulichkeit und ein Sicheinrichten auf die Heimat zur Winterszeit, der ein ewiger Frühling folgt. Aber die Gefahren des Alters sind Ueberschätzen des Könnens und Unterschätzen drohender Nöte. Und auf der Höhe des Lebens ist nicht Ueberschätzen der Kraft, sondern vielmehr eine falsche Zufriedenheit mit sich selbst, welche rastet, wo es zu wirken gilt. Ach, laßt uns allzumal eifriger sein, fleißiger sein, unser Leben einzusetzen für ein großes Ziel, ja für ein großes Ziel, von dem der Herr spricht:

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 „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.“ (V. 20) Nur eine dünne Wand scheidet uns von der Ewigkeit. Die Wogen der Zeit schlagen an diese Wand heran, und jeder Tag ist ein Pochen an unser Leben,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vgl. Joh. 9,4.