Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/122

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

für das du sorgen solltest, ehe es wirklich von dir umarmt und begrüßt wurde; dein Kind, das deine Sünde, aber auch deine Sorge trägt, das Zeuge deiner heimlichen Gebete, aber auch deiner vielen Unterlassungen und deiner Untreue ist. Es liegt in einem solchen Kinde ein wunderbarer Gnadengruß der Ewigkeit, eine Fülle von Gottesgeschick und Gottesgeschichte und Menschensünde und Menschennot. Es liegt in jedem neugeborenen Kinde eine wundersam heimliche Majestät: Was meinst du, soll aus dem Kinde werden? Bei dem einen Kinde, wenn man es wüßte, würde der Tag der Geburt verflucht, bei dem anderen Kinde hörte man heilige Lobgesänge.

 Noch einmal: Deinen Vater und deine Mutter! Das also wollen wir uns recht merken, daß alle Erziehung eine einheitliche sein muß.

 Die meisten unter uns denken an heimgegangene Eltern und wenn sie ihrer gedenken, danken sie am meisten dafür, daß Vater und Mutter, so verschieden sie geartet waren, in dem einen Bestreben, ihre Kinder zu erziehen, sich verstanden, daß die Mutter nie verschwieg, was der Vater wissen mußte, und der Vater nie beschönigte, was die Mutter betrübte. – Seht, es liegt in der ganzen großen Art eines göttlichen Pfandes, wie es ein Kind ist, eine solche Fülle von Aufgaben, daß Eltern ohne Christum wohl eine rationelle, individuelle, geistvolle, aber keine rechte Erziehung schenken können.

 Wenn unsere Eltern wüßten, was sie ihren Kindern vorenthalten, wenn die Kinder ihre Eltern nie beten sehen; wenn sie wüßten, um was sie ihre Kinder betrügen, wenn sie ihre Eltern nie zur Kirche gehen sehen; wenn sie daran dächten, wie in unbewachten Augenblicken törichter Art ein Kind verdorben werden kann und wie in unklugen, unvorsichtigen Äußerungen von Vater und Mutter ein Kind für sein ganzes Leben Gift empfangen kann! Es ist das Schwere