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tat, die liegt jetzt in dem Dachstübchen, weltvergessen. Sie kann nichts mehr leisten, darum wird sie auch nicht mehr beachtet. Mache dich auf und bringe ein gütiges Wort und eine freundliche Rede und erquicke und erfrische damit deinen Nächsten! Und endlich, wie viele Gefährdete kennst du! Sie reden dich vielleicht an. Es ist mir manchmal so beweglich, wenn mich hier in der Großstadt schon des öfteren ein oder das andere weibliche Wesen ansprach, dem ich in früheren Jahren seelsorgerlich nachgehen durfte und nachging. Es ist gefallen und ist den Weg der Schande weitergegangen; aber es redet den Mann, der es einst unterwies, konfirmierte, leitete, noch an. Soll ich mich da zurückziehen oder ängstlich fragen, was die Leute sagen werden, daß ich mit solchen Mädchen auf der Straße spreche? Oder soll ich nicht vielmehr Gott danken, daß Er mir’s ermöglicht, auch in ein verkommenes Leben noch ein wenig Sonne zu bringen!

 O, spart euere guten Worte nicht so sehr, wägt sie nicht so sorglich ab! Prüfet nicht so ängstlich, wer ihrer würdig sei und wer sie nie verdiene. Euer himmlischer Vater hat soviel gute Worte in euer hartes Leben hineingesenkt und euer Heiland hat soviel leutselige Rede an euch gewagt, ohne daß ihr sie verdientet, nur weil ihr sie brauchet. Darum spart auch ihr die guten Worte nicht, sondern helfet.

 Und endlich drittens: helfet mit der Tat! Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter waren nicht nur diejenigen, die den Wanderer halb totschlugen und ihn dann ausgeraubt liegen ließen, Mörder, sondern auch die beiden, die vorüber gingen, der Levit, der den Verletzten nicht beachtete, der Priester, der sich seiner nicht erbarmte. Aber der Samariter erfüllte das Gebot der Liebe an dem, der da in seinem Blute lag, indem er hinzutrat, in seine Wunden Öl und Wein goß, ihn verband, ihn auf sein Tier lud und ihn fortführte.

 O, arbeitet für die Not, die Leibesnot euerer Umgebung!