Seite:Hermann von Bezzel - Einsegnungs-Unterricht 1909.pdf/72

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

uns widersprach, hat den größten Einfluß. Ich gehe zurück und sage: werde jedes unter uns eine rechte Seelsorge durch seine Persönlichkeit und durch deren Glück. So viel Armut tritt an uns heran, wir finden keinen Trost für sie, zeige dich selber getröstet. Erwecke im Nächsten die Frage nach dem Grunde deiner Getröstetheit. Laß ihn erkennen, daß du einen Frieden hast, der höher ist als Menschenvernunft; gib ihm in deiner ganzen stillen, ruhigen, klaren Art ein Rätsel auf, das zu erleben dir Freude und ihm Gewinn sein wird. Woher bist du so glücklich? Ich habe alles gewonnen und nichts zu verlieren. Und indem ich so in die Allgemeinheit hinein das Wort und den Wert einer seelsorgerlichen Persönlichkeit einzuzeichnen versuchte, will ich nun auf die einzelnen Berufe eingehen, zuvor aber ganz kurz folgendes Gesetz sagen: Alle Seelsorge sei keusch, habe Respekt vor der Persönlichkeit des Nächsten, rüttle nicht an ihm herum, schnitze nicht so viel an ihm herum, maßregle nicht so viel an ihm und wenn du vor seiner Art Respekt hast, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Er wird es anerkennen und fragen: warum warst du so gütig gegen mich, der ichs weder verdiente noch wollte? Alle Seelsorge sei wortlos; Christus, der Herr, will überall bekannt, aber nicht überall genannt sein. Indem du stille als Dienerin Jesu nicht alsbald das Feuer vom Himmel fallen lässest, sondern Dein Feuer stille in dir hegst, wirkst du am meisten. Es ist manch Einer durch die Unverdrossenheit, mit der eine Dienerin Jesu stundenlang an seinem Lager saß, für Jesum gewonnen worden, während das eindringliche Beten als Aufdringlichkeit die Kraft verlor. Gott der Herr hat dem Menschen eine Seele gegeben und nur ein Wort für die Seele; alle Ueberbietung im Geistlichen rächt sich durch Abscheu, und wir haben gar kein Recht, mit Gottes Wort herumzuwerfen. Wir haben uns im Laufe der Jahre solch eine Phraseologie zurechtgelegt; wir können nicht mehr sagen: „Lebwohl!“ wir müssen gleich sagen: „Der Herr sei mit dir!“ „Gott behüte dich!“ und was dergleichen mehr ist. Und dadurch bringen wir das edle Gold außer Kurs und schädigen seine Kraft. Die Seelsorge, die unbeirrt und keusch und stille ist, bleibt je länger je mehr im Verborgenen. Man muß viel Geheimnisse mit einem Menschen haben, bis man seiner Seele nahe getreten ist.

.

 Worin bestehen aber die einzelnen Aufgaben des Berufes, der Seelsorge? Das ist das Erste, was ich immer wieder nennen möchte und muß: Die gesamte Arbeit der Lehrdiakonie, nicht nur, weil zu meiner großen Freude unter diesen 35 nicht wenig Lehrerinnen sind, sondern weil ich glaube, wenn das Diakonissentum sich die Lehrdiakonie sichert, kann es ruhig ansehen, wenn