Seite:Hermann von Bezzel - Einsegnungsunterricht 1892.pdf/66

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 Es fehlt uns noch so viel an Berufskraft und -That, daß diese Bitte trotz allem – sündigen Erwägungen entstammt. Nein, unser HErr Christus, der doch ein mitleidiger Hoherpriester ist und das Leiden Seiner Jünger nicht aus Theorie, sondern aus der Fülle praktischen Leidens heraus kennt, sagt: „Ich bitte nicht, daß Du sie von der Erde nehmest, sondern daß Du sie bewahrest vor dem Uebel.“ Er ruft uns täglich zu: „Israel, du Volk der GOttesstreiter, das durch den HErrn selig wird, vergiß Meiner nicht in der Welt und über der Welt, im übrigen bleibe in der Welt, bis Ich sage: Es ist genug.“ Jetzt fragen Sie sich täglich, ob Sie schon fertig sind. Sie dürfen nicht früher sterben, als bis die Welt in Ihnen gestorben ist. Wenn Sie früher sterben, so möchte Er Sie im Zorn sterben lassen. „Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen,“ aber nicht in einseitiger Todesbetrachtung, sondern so, daß wir unsere Tage zählen und die Zeit auskaufen. Tragen Sie jeden Tag ein Stück Welt nach dem andern zu Grabe, dann kommt der HErr. Sehen Sie an den Krankenbetten, wie der HErr ein Stück nach dem andern abbricht, wie Er mächtig und kräftig alles, auch das Herrlichste nimmt, lassen Sie diese Bitte: „Es ist genug“ noch lange nicht über Ihre Lippen kommen, ich nicht, Sie nicht. Lassen Sie uns freudig in dieser Welt arbeiten; die Freude am HErrn sei unsere Stärke! Wir wollen wünschen, nicht früher aus der Welt zu gehen, „als bis wir unsere Ehrfurcht vor unserem HErrn und Heiland durch eine, durch die That bezeugt haben“ (Claudius an seinen Sohn). Sie sind zu Thaten berufen, und der HErr zeigt uns diese Thaten, und sie sollen bleiben. „Ich habe euch gesetzt, daß ihr hingehet und Frucht bringet, und eure Frucht bleibe.“ Jene falsche Weltflucht ist nichts anderes, als eine totale Verkennung unserer centralen Bedeutung. Nicht wir sollen aus der Welt fliehen, sondern die Welt soll zu uns fliehen. Der HErr Selbst fern von thörichter Weltflucht! Wenn wir uns von der Welt in den Schmollwinkel zurückziehen, wie wollen wir denn die Welt verstehen? Es ist ein thörichtes Beginnen, sich hinter Klostermauern vor der Welt zu flüchten. Die Welt zieht mit und ist um so gefährlicher,