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dient, mag das Beispiel von Helene Löhe lehren, die vielen viel werden durfte, weil Einer ihr Alles geworden war.

 Lassen Sie mich, verehrte Anwesende, mit dem Preise des Pfarrhauses unserer Landeskirche anheben, nicht weil es so sein müßte, sondern weil es so sein darf. In der Einfachheit und Anspruchslosigkeit, mit der – oft bei bescheidenster Lebenshaltung – das in seinem Innenleben so reiche Haus sich und andere erbaut, in der nach Innen gewandten Beschaulichkeit und dem tränenlosen Verzicht auf Dinge, die Tränen nicht verdienen, mit dem Gebetsernste, der das Leid teilt und heilt, steht es wie eine Friedensstätte mitten in all dem bewegenden und beengenden Streit. Daß in keinem Hause so dem Gemüte wohl geschieht, dem dies rastlose Treiben des Tages den Atem benimmt, nirgend so die Freude am Kleinen gepflegt und als Großmacht des Lebens gehegt, nirgend auch die Treue im Kleinen so geehrt werden will, wissen die, die unter dem Schatten des Pfarrhauses gelebt haben und an Gräbern frommer Pfarrfrauen gestanden sind. Eindrücke der Jugendjahre haften am tiefsten. Edle, lichte Gestalten treten näher, deren die Welt nicht wert war, groß in der Unscheinbarkeit, frei in der Bedürfnislosigkeit, durch die Dörfer mit Mildigkeit schreitend, heimisch in den Armenstuben, stets zu vermitteln bereit, dem feinen Beispiel gleich, das einst Fischart, der größte deutsche Charakterzeichner, von der Frau entworfen hat. Es hat mich tief bewegt, als ich auf einem Dorfe aus dem Munde eines älteren Mannes das Lob seiner längst verstorbenen Pfarrfrau bezeugen hörte, die niemanden ungetröstet gelassen habe! Wer betet um fromme Pfarrfrauen, Beterinnen für die Männerarbeit, Bekennerinnen ohne viele Reden, Heldinnen in Leid und Angst?

 Die Pfarrfrau aus dem Dorfe mag es in manchen Stücken leichter haben als ihre Schwester in der Stadt, aber in dem Einen wollen sich beide begegnen, daß sie Gehilfinnen im Amte seien, auf die des Mannes Herz sich verlassen kann, nicht Herrinnen in Fragen, die ihnen ferne liegen, noch Sklavinnen, die zum rechten Wort nicht den Mut haben, sondern Meisterinnen in den gezogenen Grenzen und Vorbilder über sie hinaus.

 Dem Pfarrhause soll das Diakonissenwerk seine edelsten Kräfte verdanken, denn es dient dem Pfarramte am nächsten. Die Tochter des schwäbischen Pfarrhauses, Amalie

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Frauengestalten aus der Landeskirche. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1912, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Frauengestalten_aus_der_Landeskirche.pdf/7&oldid=- (Version vom 8.9.2016)